Sind wir nun gluecklich
mit Redakteuren, die mit mir zusammenarbeiteten, und so verging der Tag mit unseren Gesprächen. In dieser Zeit »produzierte« ich praktisch gar nichts und hatte schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir ein Kantinenessen gönnte.
Es war im Grunde eine Auszeit für mich. »Wenn der Becher voll ist, läuft er über«, wie es im Daodejing heißt, Meister Laozis Werk vom Weg und der Tugend. Ist der Becher einmal voll, dann passt nichts mehr hinein. Was soll man also anderes tun, als ihn zu leeren? Es ist wie bei einem Taschenrechner, bei dem man auch immer wieder die »Reset«-Taste drücken und bei »0« anfangen muss, ganz egal, was für große Rechenleistungen man vorher damit vollbracht hat.
Nach fast einem Jahr Recherche wurde der Plan für einen unabhängigen Sendeplatz für »Mitternacht« abgewürgt, und der wegen meines »vergeudeten« Jahres besorgte stellvertretende Chefredakteur Sun Yusheng machte »Mitternacht« nach einigen Umstrukturierungen auf die gleiche Weise wie »Xinwen Lianbo« zu einem Teil der Sendung »Oriental Horizon«. Mich machte man gezwungenermaßen zum hauptamtlichen Produktionsmanager, einem Verantwortlichen ohne Verantwortung.
Das System, mit Produktionsmanagern zu arbeiten, wurde 1993 mit der Reform von »Oriental Horizon« etabliert und leistete einen erheblichen Beitrag zur Modernisierung des chinesischen Fernsehens. Dennoch musste ich nach zehn Jahren, als ich selbst Produktionsmanager wurde, feststellen, dass das System in vieler Hinsicht nicht mehr up to date war, besonders, was die täglichen Nachrichtenprogramme betraf.
Beim vorherrschenden System wurde die ganze Macht in der Hand eines Einzelnen gebündelt, dem großen Boss, der allein darüber befand, ob das Programm gut oder schlecht war. Hier herrschte ganz offensichtlich eine Diktatur, und es gab nicht genügend Spielraum für demokratische Strukturen. Deshalb tat ich bei meinem Dienstantritt zweierlei: Zum einen trat ich die Verantwortungshoheit für die Löhne an die höhere Verwaltungsebene ab, sodass ich mich mit der Gruppe nicht über finanzielle Angelegenheiten verständigen musste, und zum anderen etablierten wir nach einer kurzen Testphase ein Redaktionsteam. Alle Entscheidungen wurden in diesem Team demokratisch getroffen, und die Macht des Produktionsmanagers wurde deutlich verringert. Meine Meinung ist: Wenn wir schon nicht die ganze Welt verändern können, können wir doch zumindest unser eigenes Umfeld verändern. Wie erwartet verbesserte sich die Effektivität der Programmkoordination erheblich, unser Programm stabilisierte sich auf einem guten Niveau und wurde im Durchschnitt sogar besser. Entscheidend war vor allem, dass sich die einzelnen Talente frei entfalten konnten. So wie Zhang Quanling und Xie Jing, die zu den Sprechern von »Xinwen Lianbo« wurden, Wang Yuejun, Sui Xiaomei oder Wang Xinyu, die Reporter des Programms sind. Noch bemerkenswerter ist, dass nach wenigen Jahren mehr als zehn Mitarbeiter dieses kleinen Teams von dreißig Leuten zu Direktoren oder stellvertretenden Programmleitern aufstiegen. Für mich sind das die kleinen Früchte, die wir durch mehr Demokratie und Freiheit geerntet haben.
Im Jahr 2003, als sich das kleine Team von »Xinwen Lianbo« einen Sendeplatz gesichert hatte, kreierte es zusätzlich die Programme »People in the News« und »China Weekly« (später in »News Weekly« umbenannt), für alle war ich verantwortlich. Dass eine Person für drei Nachrichtenprogramme auf einmal zuständig war, von denen zwei täglich und eines wöchentlich ausgestrahlt wurden, das gab es früher so gut wie gar nicht.
Und wieder tauchte das alte Problem auf: »Wenn der Becher voll ist, läuft er über.« Oder: »Wer ein Pferd aufzäumt, muss es auch reiten.« Irgendwann muss man Konsequenzen ziehen. Nach wenigen Monaten liefen die Programme sehr gut, und es war Zeit, die Verantwortung abzugeben. Im August 2003 trat ich vom Posten des Produktionsmanagers der drei Programme zurück und begab mich wieder in meine alte Rolle des Moderators.
Für mich war das eine wichtige Reduzierung meiner Aufgaben. Auch wenn ich nach der Abschiedsparty kurz nach 14.00 Uhr nachmittags in meinem Wagen saß und plötzlich gar nicht mehr so genau wusste, wohin ich eigentlich fahren wollte. Schließlich fuhr ich einfach irgendwohin mit dem Strom, doch ich war beseelt vom Gefühl einer kostbaren Freiheit, die aber nicht unbedingt mit meinem Rücktritt und dem Verzicht auf Verantwortung zu tun hatte. Ich
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