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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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nicht sagen?«
    Aber Oliver schüttelte den Kopf, bückte sich und fing an, das Hundefutter aufzuklauben, das auf der Straße lag.
    »Kannst du gut Geheimnisse bewahren?«
    Ein Nicken.
    »Ich auch, weißt du, und deine Mum muss gar nicht erfahren, dass du mit mir geredet hast. Ich werd’s ihr nicht sagen, außer du erlaubst es mir.«
    »Ich weiß nich.« Er war fertig mit dem Aufsammeln und hob den Sack mit einer Hand hoch, als wäre er federleicht.
    »Du bist ganz schön stark«, sagte sie bewundernd.
    Aus dem schmuddeligen Kragen seines Hemdes kroch ihm die Röte in die Wangen, und ein verschmitztes Grinsen verwandelte sein Gesicht.
    »War ich schon immer.«
    »Weißt du, als Erwachsener kannst du selbst entscheiden, welche Geheimnisse du behalten willst und welche nicht. Das geht deine Mum nichts mehr an.«
    Das überzeugte ihn. Ein trotziger Ausdruck glitt über sein Gesicht.
    »Stimmt.« Er trat näher und flüsterte so leise, dass sie sich vorbeugen musste: »Da war nämlich ein Feuer, ein großes Feuer. Ich bin hin und hab nachgesehen, und es war ein Auto.«
    »Kannst du das Auto näher beschreiben, Oliver?«
    Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen, als wollte er eine böse Erinnerung löschen.
    »Ich glaube, du kannst das. Ich glaube, du bist schlau und du weißt noch mehr.«
    Das Wort »schlau« hatte eine außerordentliche Wirkung auf ihn. Seine Miene hellte sich auf, und die Röte verschwand. Er öffnete die Augen und stolperte fast, als er einen Schritt auf sie zumachte. Sie glaubte, den Blick in seinen Augen zu erkennen, und als er Haltung annahm und die Brust vorreckte, wurde ihr zum ersten Mal richtig bewusst, was für ein Riese er war. Er war mindestens einsneunzig und wog eher hundertzwanzig Kilo, die beileibe nicht nur aus Fett bestanden.
    »Dass ich schlau bin, hat noch kein Mädchen zu mir gesagt«, sagte er lächelnd.
    Unter anderen Umständen wäre es vielleicht rührend gewesen, aber Nightingale nahm es kaum wahr, während sie langsam rückwärts zum Wagen ging.
    »Hast du einen Freund?« Er wartete die Antwort gar nicht erst ab. »Kann ich dein Freund sein?«
    »Ich … ich hab schon einen, Oliver, tut mir leid, aber danke, dass du das fragst.«
    »Können wir dann einfach so Freunde sein – richtig gute Freunde, so wie ich und Wendy, bis sie weggezogen ist?«
    »Das ist ein bisschen schwierig. Ich bin ja Polizistin, und wir dürfen keine guten Freunde haben. Das ist gegen die Vorschrift.« Sie hatte fast die Autotür erreicht, als Oliver einen großen Schritt machte und ihr den Weg versperrte.
    »Im Fernsehen aber doch. Da machen die dauernd miteinander rum. Du magst mich nich.« Er blickte finster.
    »Doch, ich mag dich. Ich denke auch, dass du schlau bist, aber ich habe wirklich einen festen Freund, und das wirkliche Leben ist anders als im Fernsehen.«
    Er drückte eine mächtige Pranke gegen die Autotür, sodass sie sie nicht öffnen konnte.
    »Ich muss jetzt weiter, aber wenn dir zu dem brennenden Auto noch was einfällt, kannst du mich im Präsidium anrufen. Sieh mal, hier auf der Karte steht meine Nummer.«
    »Und dann kommst du mich wieder besuchen?«
    »Wenn dir noch etwas einfällt, komm ich dich wieder besuchen, aber nur, weil ich Polizistin bin, nicht weil wir gute Freunde sind, okay?« Sie staunte selbst über die Festigkeit in ihrer Stimme. »So, jetzt lass die Tür los, damit ich ins Auto kann.«
    Er zögerte einen Moment und nickte dann, war wieder ganz gefügig.
    Sie stieg ein und wollte den Motor anlassen. Oliver klopfte ans Fenster, und sie öffnete es einen Spalt.
    »Wenn du willst, zeig ich dir, wo ich das Feuer gesehen hab, aber du musst mich hinfahren.«
    Nach kurzem Nachdenken entriegelte sie die Türen, obwohl ihr Herz raste. Sie sagte sich, dass er beschränkt war, nicht gefährlich, und dass sein Interesse an ihr nur deshalb erwacht war, weil sie ihm geschmeichelt hatte, aber neben seiner riesenhaften Gestalt kam sie sich winzig vor. Er dirigierte sie etwa eine Meile die Straße hinunter, dann nach links auf einen Feldweg. Ihr Herzschlag ging viel zu schnell, und sie musste sich eingestehen, dass sie Angst hatte, aber sie versuchte, unbekümmert und selbstbewusst zu wirken.
    »Hier musst du anhalten.«
    Er zeigte auf eine kleine Ausbuchtung am Wegesrand, die fast von Brombeeren überwuchert war. Oliver stieg aus und drängte sich achtlos durch das Gestrüpp. Sie folgte ihm einen Pfad entlang, der kaum noch zu erkennen war. Die Pfefferspraydose, die sie

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