Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
Vom Netzwerk:
wäre, doch dann war er zurück in die Wirklichkeit gerissen worden, als er das Angebot bekam, die Leitung des Major Crimes Squad von West Sussex zu übernehmen, wo er direkt Assistant Chief Constable Harper-Brown unterstellt wäre. Es war keine echte Beförderung – sein Rang blieb unverändert –, aber der vorherige Amtsinhaber war Superintendent gewesen, und es war klar, dass eine Beförderung folgen würde, wenn er sich auf dem neuen Posten bewährte.
    Zunächst hatte Fenwick mit der Begründung abgelehnt, er befürchte negative Auswirkungen für seine Familie, aber sein alter Chef, Superintendent Quinlan, war nicht gewillt gewesen, diese Entscheidung zu akzeptieren. Er war mit ihm in einen Pub irgendwo auf dem Land in Sussex gefahren, wo niemand sie kannte, und hatte sie beide systematisch unter Alkohol gesetzt. In seinem angesäuselten Zustand gelang es Fenwick nicht mehr, seine Fassade aufrechtzuerhalten. Und als seine Zunge sich einmal gelöst hatte, war kein Halten mehr. Quinlan, plötzlich wieder nüchtern und klug, hatte zugehört, ohne ihn zu unterbrechen, ein unsentimentaler Mann, der doch tief bewegt war von dem, was er da hörte.
    »Sie müssen diese Chance nutzen, Andrew. Sie stecken in einer Sackgasse und kommen da nicht mehr raus. Und Sie sind zu gut, um sich damit abzufinden. Ich weiß noch, wie Sie damals nach Harlden gekommen sind. Sie waren so ehrgeizig, und Sie machten keinen Hehl daraus. Außerdem waren Sie verdammt gut, der beste Detective, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Aber irgendwann gelangt man an einen Punkt, wo es nicht mehr genügt, ein guter Ermittler zu sein. Das weiß selbst ich, obwohl mir dieser ganze Managementmist auch zuwider ist.«
    »Aber der Ehrgeiz ist weg – ich hab Ihnen doch gesagt, ich bin nicht mehr gut, verdammt … Ich bin bloß noch ein Schar … ein Scharia … ein Wrack.«
    »Sie wollen noch immer gewinnen, das sehe ich Ihnen Tag für Tag an. Gerechtigkeit ist Ihnen wichtig, und Sie sind der hartnäckigste Mensch, der mir je begegnet ist. Ihr Instinkt ist unheimlich. Ich weiß, Sie haben was gegen das Wort Intuition, aber darauf läuft es hinaus, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht.«
    Fenwick war zu betrunken gewesen, um ihm zu widersprechen. Tief in seinem Innern wusste er, dass er eine seltene Fähigkeit besaß, die schwer zu definieren, aber auch unschätzbar wertvoll war. Sein Verstand konnte vermeintlich nutzlose Einzelinformationen aufnehmen, sie dann im Unterbewussten gären lassen und zu wahllosen Kombinationen zusammensetzen, bis schließlich, fast wie aus dem Nichts, ein Gedanke auftauchte, der eine Ermittlung in eine bestimmte, scheinbar willkürliche Richtung lenkte. Diese Gedanken waren flüchtig. Wenn er sich zu angestrengt oder zu früh darauf konzentrierte, verschwanden sie wieder. Deshalb hatte er im Laufe der Jahre eine Abneigung dagegen entwickelt, andere an seinen Überlegungen teilhaben zu lassen, und sich angewöhnt, lieber allein für sich nachzudenken. Wenn solche Gedanken schließlich Gestalt annahmen, waren sie nicht immer zusammenhängend, manchmal bloß ein Gefühl oder wie ein Traum, der einem nach dem Aufwachen noch verschwommen nachhing, aber er hatte gelernt, ihnen nachzugehen und sie herauszulocken, ganz gleich, wie abwegig sie schienen.
    Während er nun die Rückkehr zu seinen neuen Aufgaben im Major Crimes Squad noch ein wenig hinauszögerte, ging ihm das Gespräch mit Quinlan erneut durch den Kopf, und er hoffte, dass der Superintendent Recht gehabt hatte und er wirklich die notwendigen Fähigkeiten besaß, um den Job zu meistern. Er würde sie weiß Gott brauchen, um den Mörder des Jungen zu finden, der hier auf dem Hügel verscharrt worden war. Bei einem Fall, der so lange zurücklag, waren mehr als nur Glück und gute Polizeiarbeit erforderlich, um Ergebnisse zu erzielen.
    Ein Fasan flog vor ihm auf und kreischte verstört, als wäre er von schussbereiten Jägern aus seinem Versteck aufgeschreckt worden, aber die Jagdsaison würde erst in einigen Monaten eröffnet. Nachdem der Vogel schwerfällig durch die Bäume davongeflattert war, wirkte der Wald noch stiller. Reglose Kiefern, Birken, deren Rinde gespenstisch im Dämmerlicht leuchtete, und gewaltige Buchen umstanden ihn. Auf der anderen Seite des Baches waren die blassen Wurzelballen von umgekippten Nadelbäumen, Opfer der vergangenen Winterstürme, im Halbdunkel zu erkennen, und Fingerhut und Brennnesseln hatten die so entstandenen Lichtungen

Weitere Kostenlose Bücher