Sine Culpa
der Vermisstenkartei passten, würde er ihnen diese Hoffnung nehmen müssen. Er spürte, wie seine Melancholie zurückkehrte, und entschied, dass es an der Zeit war, den Fundort zu verlassen.
Gedankenverloren ging er langsam den Hang hinauf, ohne den grünen Peugeot zu bemerken, der hinter seinem Wagen hielt, und er war überrascht, als ihn eine Stimme ansprach.
»Chief Inspector Fenwick!«
Er drehte sich um und sah Blake Bowyer, Sams Vater, neben dem Peugeot stehen. Seine Frau saß angeschnallt auf dem Beifahrersitz und hatte das Fenster heruntergekurbelt, um mitzuhören, was sie sagten. Bowyers Gesicht war von den Spuren eines unerträglichen Schmerzes gezeichnet, der erst noch erduldet werden musste, die Falten um den Mund wie tiefe Schnitte in der schlecht rasierten Haut, die Ringe unter den Augen so dunkel, dass sie wie Blutergüsse aussahen. Doch seine sichtliche Qual war nichts im Vergleich zu der seiner Frau. Fenwick wäre fast zusammengezuckt, als er ihren Blick sah und ihn die panische Angst darin traf wie ein Schlag.
Die Männer gaben sich rasch die Hand, und Fenwick ging zum Wagen hinüber, wo er Mrs. Bowyer ganz kurz die Hand auf die Schulter legte.
»Er ist es nicht«, sagte er sofort, ohne zu fragen, woher sie von dem Leichenfund wussten, und ohne ihnen Vorwürfe zu machen, dass sie hier aufgetaucht waren.
»Gott sei Dank.« Bowyer wiederholte die Worte wieder und wieder, eine Beschwörung, während seiner Frau vor Erleichterung stumme Tränen übers Gesicht rannen.
Fenwick hatte ansonsten keinerlei Neuigkeiten für sie, hatte alle Worte des Mitgefühls bei ihrer ersten Begegnung aufgebraucht und nichts mehr zu sagen. Er ging stumm zu seinem Wagen.
4
»Ich bin froh, dass der Ärger für Sie ausgestanden ist, Sergeant.«
Cooper wollte zurückweichen, doch ein dicker Eichenbalken verstellte ihm den Fluchtweg. Nicht genug damit, dass er ausgerechnet Major Maidment im Hare and Hound begegnen musste, Nein, jetzt bekam er auch noch ein frisches Glas Bier in die Hand gedrückt, ehe er nein sagen konnte. Dabei hatte er vor dem Nachhauseweg nur noch rasch zum Klo gehen wollen. Er war leicht angesäuselt, sodass ihm so schnell kein Vorwand einfiel, wie er sich aus der Gesellschaft des Majors befreien konnte, denn jeder Kontakt mit dem Mann war ihm strengstens untersagt.
Maidment spürte seine Verlegenheit.
»Natürlich dürfen Sie darüber nicht reden. Das versteh ich vollkommen. Mir wird ein Verbrechen zur Last gelegt – von Ihnen!« Er lachte, als wäre dieser Gedanke bloß ein Witz zwischen ihnen beiden.
Cooper wollte ihm sagen, dass er in ernsten Schwierigkeiten steckte. Chalfont, der in Wirklichkeit Henry Luke Carter hieß, wäre fast gestorben. Aus dem ärztlichen Bericht ging hervor, dass die Kugel eine Hauptarterie verletzt hatte. Nur die sofortige erste Hilfe und eine ausgezeichnete medizinische Versorgung hatten verhindert, dass er am Blutverlust gestorben war. Dass es Maidment war, der die Erste Hilfe geleistet hatte, interessierte die Staatsanwaltschaft nicht, die darin lediglich einen kläglichen Versuch sah, die Schwere der ursprünglichen Straftat zu mildern. Während er nun möglichst schnell sein Bier kippte, kam Cooper der Gedanke, dass er noch nie einen weniger schuldigen Menschen festgenommen hatte. Vielleicht war es ja Reue, die ihn veranlasste, sein Glas nicht einfach halb voll stehen zu lassen.
»Ich hätte da eine Frage, Mr. Cooper. Ich verstehe ja, warum man mir die Fingerabdrücke abgenommen hat, aber die Speichelprobe … war die für eine DNA-Untersuchung?«
»Das wird routinemäßig gemacht.« Cooper wand sich, weil das Gespräch wieder bei dem Fall gelandet war. »Es gibt eine landesweite Datenbank, in der Millionen Menschen erfasst sind, Sie sind also nicht der Einzige, Major. Falls sich herausstellt, dass Sie unschuldig sind …«
» Wenn ,nicht falls. Wie dem auch sei, es stört mich nicht, ich fand’s nur eigenartig. Übrigens, wie fanden Sie das Kricketspiel von England gestern? Einundachtzig für fünf, also ich bitte Sie …«
Der Themenwechsel ließ Cooper innerlich aufatmen und allmählich schmeckte ihm sein Bier wieder, aber Maidments Einladung zum Lunch am Wochenende in seinem Golfclub lehnte er dennoch ab.
»Wenn die ganze Sache abgeschlossen ist, dann gern, aber im Augenblick, na ja, da sollte ich eigentlich nicht mal mit Ihnen reden.«
»Ach so, ja, verstehe. Aber Sie werden in meinem Fall doch wohl nicht ermitteln, oder?«
»Nein.«
»Schade,
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