Sine Culpa
Rest begnügen. Das war die Krönung dieses enttäuschenden Tages.
Sein grandioser Einfall, einfach noch mal wegzufahren, Anrufe zu ignorieren und ein paar Tage in London zu verbringen, hatte sich gar nicht so einfach in die Tat umsetzen lassen. Es gab einiges zu erledigen, bevor er abfuhr, und das hatte länger gedauert, als er gedacht hatte. Obwohl er wusste, dass bestimmt nichts Belastendes im Haus war, musste er vorsichtshalber doch noch einmal alles überprüfen.
Als er schließlich in London ankam, war er nicht mehr in der Stimmung gewesen, das Haus zu besuchen, und hatte sich stattdessen in einem Hotel an der Park Lane eingemietet, das Komfort und Anonymität bis zum nächsten Morgen versprach. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte er den Fernseher eingeschaltet, und als Paul Hills Name fiel, hatte er erschrocken aufgemerkt. Abgesehen von der Existenz dieses »Freundes« gab ihm besonders eines zu denken, nämlich die Intensität des leitenden Ermittlers. Fenwick. Der Name sagte ihm nichts, und es war ganz sicher nicht der Mann, der Maidment verhaftet hatte, doch er ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Smith war ein guter Menschenkenner, und er hatte ein feines Gespür für charakterliche Schwächen. Selbst durch das Medium des Fernsehens spürte er die Verbissenheit des Mannes. Dieser Fenwick würde nicht aufgeben. Er würde weiter nach Pauls Mörder suchen, bis er ihn fand oder in Rente ging, je nachdem. Und so beschloss er widerstrebend, dass er seine Pläne würde ändern müssen.
Eigentlich nicht ändern, nur beschleunigen. Er hatte schon immer vorgehabt, einige Zeit im Ausland zu verbringen. Er hatte schon einige ausgesprochen erholsame Urlaubsreisen damit verbracht, exotischen Vergnügungen nachzugehen. Die schönen Erinnerungen milderten die unvermeidliche Traurigkeit, die ihn bei dem Gedanken überkam, England vielleicht verlassen zu müssen, zumindest für eine Weile.
Am vernünftigsten wäre es, gleich morgen früh ein Flugticket zu kaufen, dann unverzüglich nach Hause zu fahren und zu packen.
Er dachte an jenen verhängnisvollen Tag zurück, als Ball ihn angerufen und gesagt hatte, er und ein Freund bräuchten während ihres Heimaturlaubs ein bisschen Abwechslung. Seit Taylor weg war, hatte er sich diszipliniert und nie wieder zu Hause seinem Vergnügen gefrönt. Er hätte es sich schon eine Lehre sein lassen sollen, als der kleine Eagleton ertrank. Es war ein Unfall gewesen. Malcolm war eine Wasserratte, und es war ein Kinderspiel gewesen, ihn mit dem Versprechen eines privaten Swimmingpools aus dem Freibad wegzulocken. Er hatte ihn an einem heißen Augustnachmittag mit nach Hause gebracht, als seine Frau für ein paar Tage verreist war, und ihn mit Eis, Schokolade und süßen Getränken mit reichlich Wodka darin verwöhnt.
Später, als sie zusammen im Pool waren, hatte er erwartet, dass der Junge betrunken und gefügig sein würde. Wenn ein Flegel wie Taylor Kinder verführen konnte, dann würde ein kultivierter Mensch wie er das wohl erst recht schaffen. Aber es war anders gekommen. Das Kind hatte plötzlich losgeheult, richtig laut, und er musste es zum Schweigen bringen. Er hatte dem Jungen das Gesicht unter Wasser gedrückt, nur als Drohung, damit er den Mund hielt, aber er hörte nicht auf, und so musste er es wieder und wieder tun. Als das Geräusch endlich verstummte, hatte er den Jungen losgelassen und sich abgewandt, um aus dem Pool zu steigen. Er hatte überlegt, wie er ihn daran hindern könnte, die Sache irgendwem zu erzählen. Ihn umzubringen war ihm nicht in den Sinn gekommen, aber als er sich umdrehte und ihn auf dem Grund des Pools treiben sah, hatte er ihn nicht schnell rausgeholt, um ihn wiederzubeleben.
Stattdessen hatte er sich einen großen Scotch genehmigt. Später am Abend hatte er die Leiche in die North Downs gebracht. Die Fahrt war grauenhaft gewesen, noch schlimmer als die Erkenntnis, dass der Junge tatsächlich tot war. Er war überzeugt gewesen, dass er jeden Moment angehalten würde, weil seine Schuld ihm irgendwie aus jeder Pore quoll. Aber auch diesmal war das Glück auf seiner Seite gewesen. Er hatte die Leiche vergraben, wegen des Kalkgesteins nicht so tief, wie ihm lieb gewesen wäre, aber doch tief genug, und er war erleichtert wieder nach Hause gefahren.
Er hatte die Berichterstattung zu Malcolms Verschwinden genauestens verfolgt. Nach einer ereignislosen, aber ungemein stressigen Woche war er ohne seine Frau nach Brasilien in Urlaub geflogen. Nach
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