Sine Culpa
seiner Rückkehr hatte er erneut Bryans Dienste genutzt, aber unter der Bedingung, dass er finanziell an dem Geschäft beteiligt würde. Bryan, der jede Menge Ideen hatte, aber nicht das Geld, um sie umzusetzen, hatte ihn als Finanzier akzeptiert, und von da an kam das Geschäft allmählich in Fahrt. Innerhalb einiger Monate hatten sie Taylors Unternehmen revolutioniert, denn sie hatten neue Lieferanten gefunden, neue Märkte aufgetan und das Geschäft auf Städte in ganz Sussex ausgeweitet.
Es lief alles bestens. Dann hatte Bryan ihm Paul Hill vorgestellt, und monatelang interessierte ihn nichts anderes mehr. Die Augen wurden ihm feucht. Paul war ihm so unter die Haut gegangen wie kein anderer Junge davor oder danach. Die letzten zwanzig Jahre hatte er nach immer neuen Jungen wie ihn suchen lassen, bis hin zu Sam.
Ob er Sam mit außer Landes nehmen könnte? Er überlegte, ob er William dazu bringen könnte, das für ihn zu organisieren, obwohl er ihm dann sein Ziel verraten müsste. Aber wie konnte er Sam sonst für sich behalten und sein Schweigen sichern? Die einzige Alternative wäre, William dafür zu bezahlen, dass der sich darum kümmerte. Der Mann war brutal und würde für Geld alles tun, aber konnte er denn ernsthaft in Erwägung ziehen, den Jungen zu vernichten?
Ein Klopfen an der Tür brachte ihm seinen Whisky und frisches Eis. Den Rest dieser langen Nacht verbrachte Smith damit, langsam die Flasche zu leeren, bis er irgendwann kurz vor Morgengrauen endlich ins Bett kroch. Er hatte seine Entscheidung gefällt.
34
Am Mittwochmorgen war die Stimmung im Präsidium trotz der frühen Stunde erstaunlich aufgeräumt. Außer Alison und ihrer Gruppe, die alle Hände voll zu tun hatten, war das gesamte Team der Soko Chorknabe nach Harlden gekommen, um die frischen Spuren vorzustellen, die sich durch die CrimeNight- Sendungergeben hatten.
Die Hauptarbeit würde darin bestehen, den Anrufen nachzugehen, die als nicht so dringlich eingestuft worden waren, aber das störte sie nicht – sie hatten endlich wieder frische Impulse für einen Fall bekommen, an dem sie schon seit Wochen vergeblich arbeiteten. Drei wichtige Vernehmungen mit potenziellen Missbrauchsopfern standen an. Fenwick würde bei einer mit einem Mann dabei sein, der in London lebte und behauptete, von Taylor missbraucht worden zu sein. Speziell ausgebildete Vernehmungsbeamte aus dem Dezernat für Sexualdelikte würden die Fragen stellen. Ihm war bereits unmissverständlich klar gemacht worden, dass die Person, die sie zu erreichen suchten, ein traumatisiertes Kind war, selbst wenn ihnen heute ein Schrank von einem Mann mit tätowierter Brust gegenübersaß.
Danach wollte er dem Team des Kinderschutzdezernats einen Besuch abstatten, das das Haus in London beobachtete, in dem Ball gewesen war. Anschließend hatte er vor, beim Revier in Camden vorbeizuschauen, wo die Telefonzelle stand, von der aus der »Freund« angerufen hatte; die Kollegen ließen die Gegend nach Zeugen abklappern, denen der Unbekannte vielleicht aus irgendwelchen Gründen aufgefallen war.
Ein anderer Anrufer lebte in Edinburgh und würde von den dortigen Kollegen vernommen werden. Fenwick erteilte Clive den Auftrag hinzufliegen, falls sich irgendwas Vielversprechendes ergab. Der dritte Anrufer saß in Brighton. Nightingale wollte ihn am Nachmittag treffen. Zuvor würde sie versuchen, allein mit Oliver Anchor zu reden, ohne seine Mutter.
Ehe sie sich trennten, bat Fenwick Nightingale und Cooper, dem M.C.S.-Team noch rasch von ihren Fortschritten zu berichten. Nightingale fing an und schilderte ihr Gespräch mit Maidment am Vortag.
»Er war völlig schockiert, dass wir von seiner Bigamie wussten, aber leider zwang uns der zuständige Arzt, die Vernehmung abzubrechen.«
»Der hat keinen Pieps gesagt«, warf D. C. Stock ein.
Nightingale überging ihn. »Er war sehr bedrückt. Die Vorstellung, dass er einen gewohnheitsmäßigen Kinderschänder geschützt hat und nicht etwa einen Freund, der unabsichtlich jemanden zu Tode gebracht hat, macht ihm zu schaffen.«
Stock stieß ein verächtliches Knurren aus.
»Bob hat eine Beschattung rund um die Uhr organisiert, und ich möchte die Genehmigung beantragen, sein Telefon zu Hause abzuhören.«
»Bei dem, was wir gegen ihn haben, müssten wir die bekommen.« Fenwick machte sich eine Notiz. Der Antrag würde mehr Gewicht haben, wenn er ihn stellte.
»Wenn ich kann, gehe ich heute noch mal zu ihm, aber erst, nachdem ich bei den
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