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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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das Klimpern von Schlüsseln gehört, ein Knarren, und dann waren sie eine Treppe hinuntergegangen. William war stehen geblieben, und irgendwie hatte sich die Luft verändert, ungefähr so, als hätte er eine weitere Tür geöffnet. Bei dem Gedanken, dass er hinter einer doppelten Sperre gefangen war, fühlte er sich noch schlechter.
    Fünfzehn Schritte. Er schob die rechte Hand an der Wand entlang. Zehn Schritte, dann stieß er gegen eine Art Holzregal. Er ließ die Finger darübergleiten, nach ein paar Zentimetern kam ein Pfosten, dann noch einer. Er zählte insgesamt zwanzig, ehe er wieder die kühle Steinwand berührte. Mit der anderen Hand tastete er das Regal ab. Die einzelnen Bretter waren dicht übereinander, und jedes war wiederum in kleine Fächer unterteilt, zu klein für Bücher. Was sollte das bloß sein?
    Er geriet nicht in Panik, sondern drehte sich um neunzig Grad und tastete nach der anderen Wand. Auch hier stand so ein Holzregal. Seine Finger glitten darüber und zuckten plötzlich zurück, als er etwas Kaltes und Glattes berührte – Glas. Es war eine Flasche. Er zog sie aus dem Regal und tastete sie der Länge nach ab, bis zu dem sich verjüngenden Hals und der Metallfolie am Ende. Wein – er war in einem Weinkeller.
    Bei dem Gedanken fühlte er sich besser. Er war also nicht in irgendeinem baufälligen Gebäude oder stillgelegten Bergwerk. Der Wein musste irgendwem gehören. William hatte die Schlüssel. Irgendwann würde er zurückkommen, er würde ihn nicht einfach hierlassen. Aber vielleicht war es ja ein verlassener Keller? Auf einmal war ihm ungemein wichtig, wie viele Flaschen hier lagerten. Sam tastete das Regal ab, und dann fing er noch mal von vorne an.
    Nur zwei Flaschen; mehr nicht. Vielleicht wurde der Keller gar nicht mehr benutzt. Bei dem Gedanken begann er zu wimmern. Sollte er doch hier einsam und verlassen sterben? Ausgemustert wie Jack, aus Gründen, die er nicht verstand. Sam fing an zu weinen. Der Klang hallte durch die leere Finsternis, sein einziger Gefährte.

40
    Fenwick erwischte mit Mühe ein Taxi und wies den Fahrer an, zur Victoria Station zu fahren. Als sie den Parliament Square überquerten, kam ihm plötzlich die Erleuchtung.
    »Mein Gott«, sagte er laut.
    »Alles klar?«
    »Wir müssen umkehren. Fahren Sie zum St. Olaf’s, Turk’s Heard Yard, schnell.«
    »Ist Ihr Geld.«
    Der Taxifahrer schüttelte ungläubig den Kopf und sah sich mal wieder in seinem Glauben an die universelle Blödheit von Fahrgästen bestätigt, aber er wendete prompt.
    Vor dem Heim stand ein Rettungswagen mit rotierendem Blaulicht und geöffneter Hecktür. Die Tür des Gebäudes war offen, und Fenwick trat in die Diele. Irgendwo weiter vorne rechts waren Rufe zu hören, ein Junge schrie. Eine abergläubische Angst um Father Peter erfasste ihn, und er wollte schon losrennen, als ein Bürschchen, das kaum älter war als zwölf, an ihm vorbei nach draußen flitzen wollte. Fenwick bekam ihn um den Bauch zu fassen und hob ihn einfach hoch.
    »Wo wolltest du denn hin?«, fragte er und wich den wild schwingenden Fäusten aus. Er erkannte einen der Jungen aus der Kirche wieder.
    »Du bist Reg.« Unwillkürlich schloss er den Jungen einen Moment lang fester in die Arme. Wenigstens einer, der nicht wieder in der Nacht verschwinden musste.
    »Loslassen!«
    »Nicht so schnell – wir suchen erst mal jemanden, der hier was zu sagen hat.«
    Er redete noch beruhigend auf den widerspenstigen Reg ein, als Father Peter um die Ecke kam. Ihre Blicke trafen sich, und im selben Moment sahen beide die Wahrheit, doch Fenwick sagte lediglich: »Reg wollte es sich gerade anders überlegen. Wo soll ich mit ihm hin?«
    »Da rein.« Der Priester zeigte auf den Speisesaal. »Ich komme nach, sobald ich kann. Einer von den Jungs hatte einen epileptischen Anfall und hat sich verletzt. Das hat die anderen erschreckt, aber wir bringen ihn gleich ins Krankenhaus, und sie werden sich bald wieder beruhigen. Ich sollte wirklich mit ihm fahren.«
    »Diesmal nicht, Father«, sagte Fenwick leise, aber bestimmt. »Schicken Sie jemand anderen mit.«
    Fenwick ging mit Reg in den Speisesaal und blieb bei ihm, damit er nicht wieder davonlief. Der Junge sah erschöpft aus, lebensüberdrüssig, ganz anders als auf dem lächelnden Schulfoto, das bestimmt irgendwo eine Vermisstenakte zierte und vielleicht auch eine Wohnzimmerwand. Reg schien noch immer geneigt, bei nächstmöglicher Gelegenheit auszubüxen, also behandelte er ihn, wie er

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