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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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selbstgemacht, und in einem dicken Ordner entdeckten sie Fotos von Paul Hill, als er noch kleiner war. Auf dem Speicher lag eine Fotoausrüstung, und ein Zimmer war in eine Dunkelkammer umgebaut worden.
    Nun konzentrierte sich die Polizei auf Taylor. Am Tag von Pauls Verschwinden hatte er nachmittags in Dorking noch Bargeld abgehoben, doch seitdem war er wie vom Erdboden verschluckt. Die Aussagen, dass Paul zusammen mit einem Mann gesehen worden war, gewannen plötzlich eine neue Bedeutung, und es wurde eine landesweite Fahndung eingeleitet. Nach zwölf ergebnislosen Wochen verringerte die Polizei ihre Anstrengungen, trotz des erbitterten Protests von Pauls Eltern, die von einer Verbindung ihres Sohnes zu Taylor nichts wissen wollten. Ihre Beschwerden wurden einfühlsam behandelt, doch die Polizei ließ sich nicht mehr von der Theorie abbringen, dass Taylor mit Paul verschwunden war, mit oder ohne sein Einverständnis, und den Jungen dann entweder ermordet hatte oder noch immer mit ihm auf der Flucht war.
    Innerhalb der Polizei gingen die Meinungen über Paul auseinander. Manche betrachteten ihn als unschuldiges Kind, das von einem Perversling verführt worden war. Andere hielten ihn für eine geldgierige männliche Hure. Sie glaubten, dass der Junge es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten hatte, mit einer gluckenhaften Mutter und einem Schwächling von Vater, und auch die Schikanen in der Schule leid war. Je mehr Zeit verging, ohne dass sich neue Spuren auftaten, desto mehr sahen sich Pauls Kritiker bestätigt. Hinweise aus der Bevölkerung wurden seltener, ein Monat verging, dann drei, und schließlich kamen die Ermittlungen zum Erliegen.
    Fenwick klappte den Aktendeckel zu, stand auf und reckte sich. Sein Knie tat weh, und er hatte Kopfschmerzen. Nach einem weiteren Kaffee und drei Paracetamol sah er die Notizen durch, die er sich gemacht hatte. Er hatte ja nur diese Zusammenfassung, die in Harlden aufbewahrt worden war, da man den Fall offiziell nie abgeschlossen hatte. Das übrige Material war vor Jahren ins Archiv gebracht worden. Er rief das Team im Major Crimes Squad an und fragte, ob sie es inzwischen gefunden hatten. Fast eine Woche war vergangen, seit er die Berichte und das Beweismaterial angefordert hatte, und seitdem herrschte verdächtige Stille.
    Ein Sergeant namens Welsh hatte das Pech, seinen Anruf entgegenzunehmen.
    »Die Sache ist die, Sir, wir sind da noch nicht so richtig fündig geworden.«
    »Was soll das heißen? Sie hatten fast eine Woche Zeit.«
    »Vier Tage, Sir«, stellte Welsh richtig.
    »Das ist ja wohl lange genug. Was habt ihr denn die ganze Zeit getrieben? Rumgesessen und Kaffee getrunken?«
    »Nein, Sir! Das ist nicht unsere Schuld. Die Akten sind vor sechzehn Jahren ausgelagert worden. Nun hatten wir ja 1999 eine Überschwemmung, und dabei sind Unterlagen von Fällen zerstört worden, die zwischen 1976 und 1983 in Harlden bearbeitet wurden. Das Verzeichnis für Material aus der Zeit vor 1990 ist erst zum Teil computermäßig erfasst, und die Kisten mit dem Hill-Kram zu finden ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, falls sie überhaupt noch existieren.«
    »Wieso erfahre ich das erst jetzt? Und wie viele Leute suchen nach den Akten?«
    Bedrücktes Schweigen am anderen Ende.
    »Bitte sagen Sie mir, dass danach gesucht wird.«
    »Na ja, ich glaube nicht, dass wir da groß was finden werden. Wir haben Material zum Fall Eagleton gefunden, weil das aus Crawley kam und sicher archiviert war.«
    »Das heißt also, keiner sucht nach den Hill-Akten?«
    »Derzeit nein, Sir.«
    Fenwick fluchte leise. Die Mitarbeiter des M.C.S. waren ein gutes Team, aber sie ließen sich ungern von ihm Arbeit aufzwingen, die sie für unter ihrer Würde hielten. Als er so lange nichts gehört hatte, hätte er sich denken können, dass irgendwas faul war. Er wies Welsh an, die Suche nach den Hill-Akten persönlich in die Hand zu nehmen, so viele Leute wie nötig dafür einzusetzen und erst Feierabend zu machen, wenn er etwas gefunden hatte.
    In solchen Situationen fehlte ihm Nightingale. Sie tat ihm gut, teilte seine Leidenschaft für Fälle, die aussichtslos schienen. Ihre Arbeitsweisen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Er entwickelte mit Instinkt und Kreativität Theorien, um sie dann durch gründliche Untersuchungen, die er normalerweise delegierte, zu überprüfen. Nightingale ging genau umgekehrt vor, sie fing ganz unten an und arbeitete sich dann logisch Schritt für Schritt nach

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