Sine Culpa
oben, wobei sie systematisch Beweismaterial sammelte. Das hörte sich zwar langweilig an, aber sie hatte die sagenhafte Gabe, Muster in Details zu entdecken, die sie dann miteinander verwob, bis sie ein vollständiges Bild ergaben. Zusammen waren sie ein erstklassiges Team, und sie hatten durchweg Ergebnisse erzielt, anders als die Ermittler im Fall Paul Hill, die ihm praktisch nichts hinterlassen hatten, keinerlei Ansatzpunkte.
Er vermutete, dass sie sich durch die Gerüchte über Paul hatten ablenken lassen, dadurch nicht mehr so gründlich waren. So gab es zum Beispiel keinen Beleg dafür, dass Taylors Bekanntenkreis vernommen worden war, außerdem war das Haus der Hills nicht gründlich durchsucht worden, und Taylors Auto, ein Volvo-Kombi, war nie wieder aufgetaucht. Noch bedenklicher war, dass sich anscheinend keiner, auch nicht die Sitte, näher damit befasst hatte, dass Taylor Kinderpornos herstellte und möglicherweise verkaufte. Und zu allem Überfluss gab es keine Liste mit den Namen der anderen Jungen auf den Pornofotos aus Taylors Haus, die jetzt nicht mehr aufzufinden waren. Es war zu spät, alle Lücken zu füllen, aber er hatte eine Liste mit allen bekannten Freunden und Arbeitgebern Taylors zusammengestellt, um sie erneut vernehmen zu lassen, und jeder Einzelne von Pauls ehemaligen Schulkameraden würde Besuch bekommen.
Nach der Mittagspause wurde Fenwick endlich in den Zeugenstand gerufen, wo er routiniert und sachlich seine Aussage machte. Zwei Stunden später hörte er sich auf der Rückfahrt nach Harlden zur Entspannung ein bekanntes Violinkonzert an, dessen Melodie er fast hätte mitsummen können. Als sein Telefon klingelte, schaltete er das Radio aus. Es war Clive Kettering, der ihm von der Zeitkapsel erzählte, die er in Sarah Hills Haus entdeckt hatte.
»Was hat Colin mitgenommen?«
»Pauls Zahnbürste und ein paar Haare, selbst nach so langer Zeit«, sagte Kettering stolz.
»Mehr nicht, wo ihr ein ganzes Zimmer hattet?« Fenwick war noch immer schlecht aufgelegt und machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. »Die Mutter hätte euch doch alles mitgegeben, wenn ihr nur drum gebeten hättet.«
»Aussichtslos. Sie behandelt das Zimmer, als wäre es heilig. Es ist das Einzige, was ihr geblieben ist, und sie hat alles parat für seine Rückkehr. Ich denke, sie ist verrückt geworden, von der ganzen Warterei.«
»Und wir versuchen, dieser Warterei ein Ende zu machen. Sie werden noch mal hinmüssen, wenn das Labor feststellt, dass die Kleidung von Paul stammt.«
»Sir! Das ist hoffentlich ein Witz.«
»Leider nein. Ich beantrage einen Durchsuchungsbeschluss, dann können Sie zusammen mit Colin das ganze Haus auf den Kopf stellen. Versprechen Sie ihr, dass sie zu gegebener Zeit alles wiederbekommt.«
»Aber …«
»Kein Aber.«
Er unterbrach die Verbindung, und sofort erschien im Display eine Nachricht. Während des Gesprächs mit Kettering hatte das Labor angerufen, also rief er zurück und wurde sofort mit dem Leiter verbunden.
»Tom, Andrew Fenwick.«
»Gut. Wir fangen jetzt mit der Detailanalyse der Kleidung an, Ich dachte, Sie würden vielleicht gern auf einen Sprung vorbeischauen.«
»Ich bin in einer Stunde da.«
Als er ankam, hängte er sein Jackett in einen Spind und zog sich einen Schutzoverall über. Obwohl es ein alter Fall war und praktisch kein Risiko bestand, dass er das Material irgendwie kontaminieren konnte, durfte er nur in entsprechender Kleidung am Empfang vorbei. Tom Barnes erwartete ihn in Begleitung einer Wissenschaftlerin, die er als Nicolette vorstellte. Sie hatten die Sachen in einer Schutzvitrine ausgebreitet. Fenwick hörte das Summen des Filters, und seine Augen folgten instinktiv dem Lüftungsrohr zur Decke. Laute Musik füllte den Raum, und Tom missverstand seinen Blick.
»Für die CD-Auswahl ist Nicolette verantwortlich, sie ist Klassikfan. Später gibt’s dann wieder Duran Duran.«
Fenwick verzog das Gesicht. »Ich halte zu Nicolette und Elgar.«
Er hatte richtig getippt, und sie warf ihm einen anerkennenden Blick zu, ehe sie die Augen auf die Kleidungsstücke in der Vitrine richtete. Sie waren so angeordnet, wie sie getragen worden waren: Unterhemd und Hemd nebeneinander, Hose und Socken darunter, der Blazer separat.
»Wir hatten noch einen anderen Fall zu bearbeiten«, erklärte Tom, »deshalb konnten wir bis jetzt nur bestätigen, dass es sich um menschliches Blut handelt. Aber wir haben von jedem einzelnen Kleidungsstück und von den
Weitere Kostenlose Bücher