Sine Culpa
beiden Säcken, in denen die Sachen verstaut waren, Proben genommen. Der Düngemittelsack ist aus Plastik, daher könnten die Kohlenwasserstoffe die Spuren auf der Kleidung beeinträchtigt haben. Wir haben die Proben daher möglichst aus Falten in der Mitte des Kleiderbündels genommen, die kaum Kontakt mit der Luft hatten.«
»Wann werden wir wissen, ob Sie DNA sichern können?«
Tom deutete auf einen jungen Mann an einem Arbeitstisch in der Ecke. »Er arbeitet gerade daran und untersucht die Speichelprobe und die Zahnbürste, die ihr heute abgegeben habt. In ein paar Stunden können wir sagen, ob in den Proben DNA ist, dann brauchen wir zwei bis drei Tage, um sie zu isolieren, mit den Proben von Sarah Hill zu vergleichen und durch die Datenbank laufen zu lassen.«
»Was können Sie zu den Blutflecken sagen?«
Tom nickte Nicolette zu, und sie schob die Hände in die Handschuhe an der luftdichten Vitrine, mit denen man ins Innere greifen konnte, um ihre Erläuterungen anschaulicher zu machen.
»Hier vorne auf dem Blazer sind große Flecken, auf der Rückseite kleinere. Vor allem unten am rechten Ärmel ist viel Blut, als hätte der Träger den Arm nah an einer großen Wunde gehabt. Die Halsgegend ist relativ frei von Blut; wenn die Kleidung getragen wurde, als es zu der Verletzung kam, lag die Wunde also nicht an Hals oder Kopf. Aber da sich die Flecken im gesamten Front- und Ärmelbereich befinden, kann ich nichts Genaueres zu Lage und Anzahl der Verletzungen sagen.«
»Was ist Ihnen da aufgefallen?« Fenwick zeigte auf den linken Hemdsärmel, der von der Manschette bis zum Ellbogen auf links gezogen war. Bis auf eine Reihe von Tropfen, die in parallelen Linien quer über den Ärmel verliefen, waren kaum Blutspuren zu sehen.
»Das ist ein völlig anderes Muster, vielleicht aus einer anderen Wunde. Die Flecken sind auf der Innenseite des Stoffes ausgeprägter, die Verletzungen müssen sich daher im Innern des Ärmels befunden haben, aber sie werden kaum tödlich gewesen sein.«
»Abwehrverletzungen?«
»Möglicherweise. Falls der Träger einen Arm vors Gesicht oder den Körper gehalten hat, wäre die Haut innen am Arm exponiert gewesen, aber Definitives kann ich nicht dazu sagen. Der Ärmel selbst ist unbeschädigt, was vermuten lässt, dass das Hemd nicht getragen wurde, als es zu den Verletzungen kam. Außerdem befinden sich hier am Kragen mikroskopisch kleine Spritzer, wieder ein anderes Muster. Denkbar wäre, dass sie von jemandem stammen, der das Material später angefasst hat, da das Muster so aussieht, als wäre das Blut aus einer gewissen Entfernung direkt auf das Material gefallen.«
»Was ist mit Hose, Schuhen und Socken?«
»Kein erkennbares Muster. Keine größeren Blutspuren an den Socken.«
»Und das bedeutet?«
»Nun, eine Person, die so stark blutet, wie die Kleidung vermuten lässt, verliert viel Blut, und das würde ihr irgendwann an den Beinen hinablaufen bis in die Socken. Das Blut würde sich von den Knöcheln abwärts über die Ferse bis zur Fußsohle verteilen.«
»Aber bis auf ein paar Flecken sind die Socken sauber.«
»Was darauf hindeuten könnte, dass sie mit blutigen Fingern ausgezogen wurden.«
»Also haben wir so gut wie nichts Eindeutiges.«
Er versuchte, nicht ungeduldig zu klingen. Es war schließlich nicht ihr Fehler, dass das Material so wenig hergab.
»Noch nicht, aber es ist ja noch früh. Ich hab noch viel Arbeit vor mir, und mich interessiert die Geschichte, die diese Kleidung zu erzählen hat, genauso wie Sie. Bislang kann ich nur sagen, dass jemand ganz in der Nähe dieser Kleidungsstücke heftig geblutet hat. Außerdem haben wir deutliche Spuren, die auf eine andere Verletzung am linken Ärmel hindeuten, und Blutstropfen innen und außen an den Säcken, in die die Sachen gesteckt wurden. Die Kleidung weist keine Einstiche oder Schnitte auf, daher wurde sie nicht getragen, als es zu den Verletzungen kam.«
»Dann könnte der blutende Junge also nackt gewesen sein, und die Sachen lagen in einem Bündel auf ihm.«
»Das ist ganz sicher eine Möglichkeit, ja, und es könnte sein, dass er seine Schuhe und Socken anhatte, aber nicht aufrecht gestanden hat.«
»Danke. Halten Sie mich auf dem Laufenden?«
»Natürlich«, sagten Nicolette und Tom Barnes wie aus einem Mund.
Fenwick fuhr nicht direkt zurück nach Harlden. Der Anblick der blutgetränkten Kleidung hatte ihm den Mord an Paul Hill sehr nahegebracht, und er bekam den Gedanken an Paul in Chris’
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