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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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wir ihn finden können.«
    »Keine Ahnung. Er hat mich verlassen, nachdem Paul verschwunden war. Hat sich seitdem nicht mehr gemeldet. Heißt das, Sie können dann mit Sicherheit sagen, ob es Pauls Blut ist?«
    »Nicht hundertprozentig, aber wir können feststellen, ob das Blut von jemandem stammt, der mit Ihnen verwandt ist, und das müsste reichen …«
    »Nach so langer Zeit, das ist nicht richtig«, murmelte sie, wandte sich ab und strich über ein Foto von Paul als ganz kleiner Junge in einer winzigen Latzhose. »Wo bist du, Baby?«, flüsterte sie zärtlich. »Wessen Blut ist das? Deins? Warum hast du deinen hübschen Blazer schmutzig gemacht?«
    Clive räusperte sich, und sie sah wieder Colin an.
    »Wie können Sie denn aus meinem Mund DNA bekommen?«, wollte sie wissen.
    »Das Bürstchen nimmt Zellen von der Innenseite Ihrer Wange, mehr brauchen wir nicht.«
    »Ein Bürstchen … ein Bürstchen.« Sie blickte sie triumphierend an und stand auf. »Wie eine Zahnbürste, meinen Sie?«
    »Wir konnten schon DNA von einer benutzten Zahnbürste gewinnen. Eine Haarbürste ist auch nicht schlecht, obwohl die manchmal nur mitochondriale DNA …«
    Aber Mrs. Hill war aufgestanden und bewegte sich zielsicherer, als Clive ihr zugetraut hätte.
    »Kommen Sie.« Sie stieg eine Treppe hinauf, und bei jedem Schritt stieben Staubwölkchen aus dem verschlissenen Teppich.
    Oben war ein L-förmiger Flur, von dem drei Türen abgingen. Mrs. Hill holte einen Schlüssel unter ihrer Bluse hervor, der zusammen mit einem Medaillon an einer langen Silberkette hing. Sie schob ihn in die erste Tür und ging hinein.
    »Ich halte sie verschlossen, falls mal eingebrochen wird. Außer mir und Paul kommt hier keiner rein.«
    Auf der Türschwelle blieb Clive abrupt stehen. Der ganze Raum war mit Tüchern verhängt. Geisterhafte Formen schimmerten in dem Licht, das durch dünne Vorhänge drang. Als seine Augen sich angepasst hatten, sah er, dass sie mit Jagdflugzeugen gemustert waren, zu grauen Erinnerungen ihres früheren Ruhmes verblasst. Fasziniert beobachtete er, wie Mrs. Hill ein Tuch von einer Kommode zog.
    »Hier.«
    Sie schob ihm einen Kulturbeutel in die Hände, an dem noch immer das Preisschild klebte: 12 Pence.
    »Das ist sein Waschzeug. Alles andere hab ich so gelassen, wie es war, aber seinen Lieblingswaschlappen und seine Action-Man-Zahnbürste, an der er so hing, hab ich hier reingetan, damit die Sachen nicht verstauben. Sie können den Beutel mitnehmen, aber bringen Sie ihn mir bald wieder. Ach so«, sie hüpfte beinahe zurück zu der Kommode, »seine Haarbürste.« Colin steckte die Sachen in Plastikbeutel, die er verschloss und datierte. Sie sah entzückt zu. »Sie sind anständige Polizisten, nicht wie die anderen. Ich weiß, Sie werden ihn finden.«
    Clive wollte in das Zimmer treten, aber sie stellte sich ihm in den Weg.
    »Außer Paul und mir darf hier keiner rein. Am Ende machen Sie noch was kaputt, und das geht doch nicht.«
    All seine Überredungsversuche blieben erfolglos, und so musste er mit ihr zurück ins Wohnzimmer gehen, um die Vernehmung fortzusetzen. Obwohl sie nun schon einige Zeit im Haus waren, machte ihm der widerliche Geruch noch immer zu schaffen, und er wollte nur noch weg.
    Schließlich verabschiedete er sich, und Colin und Julie folgten ihm dankbar. Auf dem Weg zum Wagen sogen sie gierig die frische Luft ein, wie Raucher, die nach einem Langstreckenflug die erste Zigarette genießen.
    »Das war ja wohl das Gruseligste, was ich je erlebt habe.« Clive wischte sich übers Gesicht und betrachtete den Staub auf seinen Fingern. Julie putzte sich kräftig die Nase in ein Taschentuch, schnupperte kurz daran und steckte es weg.
    »Sie hat mich ein bisschen an Miss Havisham erinnert«, sagte sie, worauf Colin mit einem gemurmelten »Das kann man wohl sagen« zustimmend nickte.
    »Die kenn ich gar nicht«, sagte Clive nachdenklich und bekam nicht mehr mit, dass die beiden ihm hinterherlächelten. Charles Dickens’ Romanfiguren waren ihm offenbar nicht so vertraut.

14
    Um halb zwölf sah Fenwick auf sein Handy, ob er irgendwelche Nachrichten erhalten hatte: nichts. Er war noch immer nicht aufgerufen worden, und diese Verschwendung seiner Zeit ging ihm gegen den Strich. Ein Automat gab widerwillig einen weiteren Becher bitteren Kaffee her, und er setzte sich damit in eine ruhige Ecke, wo er ungestört seine Akten studieren konnte. Die E-Mails, auf die er schon seit Tagen nicht geantwortet hatte, lagen ganz

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