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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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Sie wartet bestimmt schon auf mich. Bestimmt.« Er zog den Hut und stieg langsam die Treppe hinunter. Werlhoff leuchtete ihm den Weg, so gut es ging, schüttelte dann den Kopf und stellte sich wieder ans Fenster, um Fichtners Anwesen im Auge zu behalten. Lina hatte das Licht gelöscht und schien zu Bett gegangen zu sein. Schade, dachte Oskar, stützte den Kopf auf die Hände und bereitete sich innerlich auf ein paar äußerst langweilige Stunden vor.

16. Kapitel
    Am nächsten Tag klopfte Cyprian von Warnstedt bereits um Viertel vor acht bei Robert Fichtner an die Tür. Der Sektionsrat wirkte verschlafen, als er ihm im Morgenmantel öffnete. Eine Nachwirkung des Veronals, das er am Abend zuvor eingenommen hatte. Der Inspektor hielt ein Bündel Morgenzeitungen in den Händen, das er wedelnd präsentierte. »Darf ich reinkommen?«
    »Nur zu.«
    Warnstedt trat über die Schwelle und peilte das Wohnzimmer an, wo er sich auf ein Sofa fallen ließ. »Diese elende Journalisten-Kanaille, die all diese Anschuldigungen geschrieben hat, müsste man auspeitschen«, meinte er salopp.
    »Ja, ich habe die gestrigen Blätter durchgesehen«, sagte Robert. »Die Leute tun halt ihre Pflicht. Sie sind hinter einer guten Geschichte her wie die Katzen hinter einem Fischkarren. – Übrigens: Möchtest du was trinken?«
    Jetzt war er da, der Satz, auf den Cyprian gehofft hatte. Früher als erwartet. Eifrig nickte er. Fichtner drehte sich um und ging in die Küche, um dort zwei Tassen Kaffee zuzubereiten. Augenblicklich hatte der Inspektor Wilhelms Brief aus der Tiefe seiner Innentasche befördert. Er beugte sich vor und ließ das Schreiben unter dem Sofa verschwinden, sodass es danach aussah, als sei es durch Unachtsamkeit unter das Möbel gefallen.
    Als Robert Fichtner zurückkam, blieb er unvermittelt stehen. »Sieh mal einer an«, gab er mit gespieltem Erstaunen von sich. »Da ist er ja.«
    Der Inspektor seufzte innerlich auf, doch er spielte die Komödie mit: »Wovon sprichst du?«
    »Wilhelms Brief«, erklärte der Sektionsrat. »Da, unter dem Sofa. Ich habe ihn schon verloren geglaubt. Vermutlich ist er mir beim Durchsehen meiner Korrespondenz aus den Händen geglitten.« Er stellte eine Tasse vor Cyprian auf den Salontisch und ging in die Knie, um das Schriftstück aufzuheben.
    Danach, als die ›Übergabe‹ erfolgreich vonstatten gegangen war, plauderten sie ein wenig über den Stand der Ermittlungen. Dem Gendarmerie-Inspektor war es mulmig zumute und er antwortete nur ausweichend auf Fichtners drängende Fragen. Schließlich, als alles gesagt war, stand er auf, um sich zu verabschieden.
    Sowie Warnstedt gegangen war, verstaute Robert den Brief seines Bruders, wusch das Geschirr ab und machte sich an die Lektüre der Zeitungen, die ihm Warnstedt gebracht hatte. Er schlug die neueste Ausgabe der Völkisch-Arischen Morgenpostille auf und überflog einen Artikel, der sich nicht nur damit begnügte, ein paar gehässige Bemerkungen fallen zu lassen, sondern einige der im Text erwähnten Personen gar mit Tuschzeichnungen zu porträtieren.
    Roberts Blick blieb auf einer Darstellung haften, die Stephan Schrader darstellen sollte, Wilhelms engsten Mitarbeiter im Ministerium. Der Sektionsrat riss das Bild heraus und faltete es, um es später, sobald er angezogen war, in seine Westentasche zu stecken. Daraufhin zerknüllte er die Zeitung und warf sie wütend in eine Ecke.
    Er stand auf, ging zu seinem Telefonapparat und ließ sich von der Zentrale mit Stephan Schrader verbinden. Es klingelte ein paar Mal. Wenig später meldete sich eine Frauenstimme, die sich als Zugehfrau vorstellte. »Herrn Schrader möchten Sie sprechen?«, meinte sie in verbindlichem Plauderton, der keinen Zweifel daran ließ, dass ihr jegliche Abwechslung willkommen war. »Den haben Sie soeben verpasst, tut mir leid. Ich weiß nicht, wo er hinging; bin auch eben erst gekommen. Aber er wird sicherlich im Central zu finden sein, wenn Sie dort mal vorbeischauen möchten. Er ist fast jeden Samstag zum Mittagessen dort, während ich hier sauber mache. So hat er es mir zumindest mitgeteilt. Was er jetzt noch unternimmt, weiß ich nicht. Aber spätestens gegen elf Uhr wird er wohl im Café sein.«
    »Ich danke Ihnen vielmals, werte Frau«, sagte Fichtner und hängte den Hörer auf.
     
    Gegen Viertel vor elf hatte sich Robert Fichtner in Schale geworfen. Er trug einen schwarz-grauen Sakkoanzug mit Schal; in der einen Hand hielt er den dazu passenden Gehstock, in der anderen

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