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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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einen Hut. Auf dem Weg ins Central machte er bei einer Tabaktrafikantin Station, wo er eine edle Packung Virginias erstand, die er später im Kreise herumzureichen gedachte. Er wusste um den Nutzen der Freigebigkeit, und außerdem zog er es vor, gut gelaunte Gesichter um sich zu sehen, auch auf die Gefahr hin, dass seine Lunge darunter zu leiden hatte.
    Er bezahlte die Zigarren und schlug den Weg zum ersten Bezirk Richtung Banken- und Börsenviertel ein, wo er einen kurzen Abstecher in das Hauptgebäude seiner Sparkasse machte und Lina von seinem Konto einen angemessenen Betrag für seinen Anteil an den Beerdigungskosten überwies. Als er wieder aus der Bank kam, schwappte von irgendwo ferne Musik zu ihm her, die ihn beschwingt werden ließ. Mit Genugtuung stellte er einen Stimmungswechsel bei sich fest. Mochte es der wienerischen Wesensart oder der Schwindsucht zuzuschreiben sein, dass er so urplötzlich von seiner Wehmut abgelassen hatte – auf jeden Fall war Fichtner froh darüber, und bis er in die Herrengasse eingebogen war, schritt er munter aus.
    Die Fassade des Café Central tat sich vor ihm auf, schön und prächtig wie der klare Tag. Der Werksteinbau des Hauses war im Neorenaissance-Stil der Toskana gehalten, von dem sich der Architekt auf einer Reise nach Venedig und Florenz hatte inspirieren lassen. Alles war prächtig und sogar überbordend, wobei das Äußere des Gebäudes wohl einzig vom Glanz seiner temporären Insassen übertroffen wurde, die sich hier ein Stelldichein gaben: Minister und Ministerialräte gingen hier ein und aus, Maler und Poeten suchten an diesem Ort den Kuss der Muse, während Intellektuelle und Feuilletonisten ihre geistigen Klingen schärften und Opernsängerinnen und ›süße Mädel‹ sich gleichermaßen in die geheiligten Hallen des Central verirrten. Das Café an der Herrengasse war ein Basar der Ideen, ein Jahrmarkt der Weltanschauungen – Café Größenwahn sozusagen.
    Als Robert Fichtner durch die Tür trat, präsentierte sich ihm das gewohnte Bild an Kellnern und Aufwärterinnen, die sich in beinahe lässig-phlegmatischer Weise den Gästen andienten und in betulicher Ruhe Melange und Kipferl servierten. Ab und zu hatte sich sogar ein profaner Obstler unter die Getränke gemischt, was die Bedienungen mit despektierlicher Miene zu goutieren wussten.
    In Gruppen zu viert oder zu fünft hatten sich die Besucher um die kleinen runden Tischchen herum niedergelassen und stießen paffend neblige Rauchwolken aus, die sich zur Decke hin verflüchtigten.
    »Na, sieh mal einer an, der Herr Sektionsrat ist wieder in der Stadt«, drang es von einer der hinteren Ecken des Raumes an Fichtners Ohr heran. Es war eine melodiöse Stimme, leicht spöttisch, doch von unverkennbarer Herzlichkeit. Fichtner erkannte in dem Mann, der die Bemerkung fallen lassen hatte, den Herausgeber Kraus, der sich von einer zahlreichen Anhängerschaft umringt sah, die mit Nonchalance seine Sottisen aufnahm und wie heidnische Götzendiener an seinen Lippen hing.
    »Noch immer spöttelnd und desavouierend, werter Karl?«, entgegnete Robert, sowie er sich einen Weg durch das Gewirr an Tischen und Stühlen gebahnt hatte.
    Einige bekannte Gesichter stachen aus der Menge. Er bemerkte seinen Arzt, den missmutig dreinblickenden Schnitzler, der keinen Hehl daraus machte, dass die vorangegangene Diskussion ihn mürrisch gestimmt hatte; auch sah er Hermann Bahr und Gustav Davis, den stadtbekannten Herausgeber der Kronen-Zeitung, und er erblickte den unausweichlichen Altenberg, der – von der Menge beinahe eingequetscht – mit einem Schnaps an einem Tischchen saß und von dem es hieß, wenn er nicht im Kaffeehaus anzutreffen sei, so sei er zumindest auf dem Weg dorthin.
    Kraus lächelte verschlagen. »Nun, ich mag wohl als spottsüchtig verschrien sein, doch habe ich mich soeben auf die Seite der Entrechteten geschlagen und diesen Pressebuben hier meine Meinung gesagt. Ich habe eine Lanze für dich gebrochen, Robert, und die Unverbesserlichkeit angeprangert, mit welcher diese Kanaillen ihren Sprachsumpf wässern.«
    »Übertreiben Sie’s nicht wieder«, warnte Davis aufgebracht, »Sie haben schon einmal eine Watschen gekriegt. Damals, im Griensteidl, war’s der Felix Salten, der so tapfer war; heute werde ich es sein.«
    Kraus überging die Bemerkung geflissentlich. »Manchmal ist es mir«, ereiferte er sich dafür umso mehr, »als ob wir jenes tintenklecksende Säkulum, das der junge Schiller so bejammert hat,

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