Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
Vom Netzwerk:
kühl sie ihn in diesem Moment musterte. Ihr leicht spöttisches Lächeln fuhr wie ein Dolch in seinen Leib.
    Vernichtet senkte er den Blick und stammelte: »Verzeihen Sie, dass ich Sie mit meinem Erscheinen belästige und … und dass ich so aufdringlich in Ihr Haus eingedrungen bin, aber … Sie müssen verstehen, dass …«
    »Genug!« Die Schärfe in Linas Stimme ließ den kleinen Mann in sich zusammensacken. »Jetzt ist es genug! Ich möchte mir Ihr lächerliches Gestotter nicht länger anhören. Sie haben behauptet, den Täter zu kennen. Hätten Sie nun endlich die Güte, mir mitzuteilen, wer das ist?« Linas Augen funkelten. Sie konnte nur schwer ihre innere Unruhe und Erregung bändigen. Am liebsten wäre sie auf Wissel zugesprungen und hätte ihn geschüttelt. Die Traurigkeit, die sich bei ihren Worten über seinem Gesicht ausgebreitet hatte, reizte ihre angespannten Nerven. Der Mann, der elend vor ihr saß, das zerknüllte, mit Blut befleckte Tuch in seinen verkrampften Fingern, war ihr äußerst zuwider. Lina fühlte sich ihm dermaßen überlegen, dass für sie das Gefühl, seine Anwesenheit erdulden zu müssen, fast unerträglich wurde.
    Gustav begann am ganzen Körper zu zittern. Er erhob sich unsicher, machte einen Schritt auf sie zu, verharrte aber sofort wieder, als er in ihr Gesicht sah, das nichts Freundliches, nichts Warmes ausstrahlte.
    »Sie … Sie sind doch eigentlich wie ein Kind«, murmelte er vor sich hin. »Ein unschuldiges Kind.« Sein Blick huschte ziellos durchs Zimmer. Resignation spiegelte sich in ihm wieder. Die Augen wirkten matt und leer. »Ich … Ich muss jetzt gehen. Auf Wiedersehen, liebe Lina. Oder wahrscheinlich nicht. Ja, ich … Ich denke nicht.«
    Er hielt Lina, die bebend vor ihm stand, die Hand hin. Als er erkannte, dass sich immer noch das Taschentuch darin befand, zog er sie hastig zurück, entschuldigte sich, nahm seinen Hut und wollte das Zimmer verlassen. Doch die Witwe trat ihm in den Weg.
    »Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem Verhalten bezwecken, Gustav. Aber ich erwarte unverzüglich eine Antwort von Ihnen. Oder ich rufe die Polizei.«
    Wie aus einem Traum erwachend, runzelte Wissel die Stirn und starrte sie ungläubig an. »Die Polizei? Warum die Polizei?«
    Lina ballte die Hände zu Fäusten. »Wer hat meinen Mann getötet?«
    »Wer ihn getötet hat? Das … Das weiß ich nicht. Nein, das weiß ich nicht. Woher auch? Aber es tut mir leid für Sie, sehr leid. Guten Tag.« Mit diesen Worten setzte er den Hut auf, drückte sich an Lina vorbei und verschwand.
    Die Witwe fühlte sich unfähig, sich zu bewegen, ihm zu folgen oder ein Wort des Abschieds zu sagen. Ihr Kopf war leer. Langsam ließ sie sich auf das Sofa fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Die dumpfen Gedanken, die allmählich zurückkehrten, schienen ihre Stirn sprengen zu wollen. Sie presste die Fingerkuppen dagegen, um sie zu verdrängen, doch ohne Erfolg.

15. Kapitel
    Wie betäubt war Wissel auf der Treppe stehen geblieben. Immer wieder kam ihm derselbe Gedanke: Sie liebt mich nicht. Doch unversehens fuhr ihm eine Idee durch den Kopf, eine Möglichkeit, die er noch nicht bedacht hatte. Wenn sie ihre Gefühle einfach nicht zeigen kann? Schließlich trauert sie noch. Und was würden die Leute denken, wenn sie sich schon wieder mit einem neuen Mann an der Seite zeigte? Gustavs Miene hellte sich auf. Es bestand noch eine Chance. Noch war nicht alles verloren. Leise kichernd stieg er auf den Gehweg hinab und verließ Fichtners Grundstück.
    Obwohl es schon ziemlich spät war und seine Mutter bestimmt schon mit einem kärglichen Abendessen wartete, verspürte er nicht den Wunsch, nach Hause zu gehen. Er wollte noch möglichst lange in der Nähe seiner Geliebten bleiben, sie vielleicht sogar noch einmal sehen. Trotz der Niederlage, die er soeben erlitten hatte, versöhnte ihn die Vorstellung, einen weiteren kurzen Blick auf ihre grazile Gestalt werfen zu können.
    Vor dem Tor schaute er sich nach einer Möglichkeit um, Lina unbemerkt zu beobachten. Auf der gegenüberliegenden Seite erblickte er ein Haus, das gerade renoviert wurde und daher nicht bewohnt zu sein schien. Er konnte auch keine Arbeiter ausmachen. Anscheinend hatten sie schon Feierabend. Bilder entstanden in Wissels Kopf. Er sah einen Mann, der stundenlang auf der Baustelle geschuftet hatte, erschöpft, aber zufrieden nach Hause kommen. Seine Frau schließt ihn liebevoll in die Arme, die Kinder springen auf ihn zu, jauchzen vor

Weitere Kostenlose Bücher