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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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über seine Beschäftigung.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, meinte Schrader mit belangloser Miene. »Eine Stelle wie jede andere auch.«
    »Ihr Amt ist dem Verteidigungsministerium unterstellt, wie ich vernommen habe?«
    »Dem kaiserlich-königlichen Kriegsministerium«, präzisierte er.
    »Verzeihung, natürlich: das Kriegsministerium«, wiederholte der Sektionsrat.
    »Auf dem Papier stimmt das schon«, fuhr Schrader fort. »Aber unsere eigentliche Aufgabe hat nichts mit realem Kampfgetümmel und unmanierlichem Schlachtenlärm zu tun. Sie besteht vielmehr darin, bei betuchten Bürgern Kriegsanleihen an den Mann zu bringen.«
    »Könnten Sie das etwas präzisieren?«, bat ihn Fichtner. »Was darf ich darunter verstehen?«
    Schrader blieb stehen. Er zupfte sich seine Kluft zurecht und meinte: »Jeder Krieg benötigt eine Finanzierung. Meist erfolgt diese durch eine erhöhte Besteuerung. Der Nachteil davon ist, dass die einfache Bevölkerung gerupft wird wie eine Henne. Alles Geld wird aus ihr herausgepresst, alles Ersparte entrissen. Dies war wohl mit ein Grund, weshalb wir 1866 im Krieg gegen Preußen unser geliebtes Venetien verloren haben, und da man ja aus den Fehlern der Vorgängergeneration lernen soll, suchen wir bereits jetzt nach den Mitteln, die in Zukunft vielleicht von Belang sein werden.«
    »Si vis pacem, para bellum«, bemerkte Fichtner sarkastisch.
    »So könnte man es auch umschreiben«, bestätigte Schrader. »Aber es ist eine unumstößliche Tatsache, dass jeder Konflikt Mittel generiert. Sie können das mit einer gewaltigen Spirale vergleichen. Wir investieren in die Armee, bezahlen ein paar böhmische Dragoner, stellen ein paar galizische Offiziere ein – und schließlich, falls uns zum Beispiel Serbien wieder mal Probleme machen sollte, fahren wir die Ernte ein.«
    »Was genau war Wilhelms Part in dieser Arbeit?«
    »Wir beide sind dafür zuständig, Kontakte herzustellen. Wir treffen unsere Klientel … Oh, entschuldigen Sie bitte. Es ist noch so ungewohnt, in der Vergangenheitsform zu sprechen.« Nach einigem Zögern begann er erneut. »Wie gesagt, wir besuchten Theatervorstellungen, Konzerte, Opernaufführungen, Soireen, all die Orte, wo man auf die Crème de la Crème der Gesellschaft trifft. Ein kleiner Hinweis da, ein patriotisches Bonmot dort, und schon werden Schecks ausgestellt oder man spendet im Namen der ehrwürdigen Familie für die gute Sache.«
    »Und danach? Was passiert mit all dem Geld?«
    »Es wird erfasst. Wir leiten es weiter, und dann wird es irgendwo angelegt. Das ist nicht mehr unsere Angelegenheit. Der Staat sorgt dafür, dass es Profit abwirft. In Friedenszeiten kann man diese Anlage mit einem Bankhaus vergleichen. Sobald der Ernstfall eintritt, erzielt man jedoch saftige Gewinne. Die Beute wird unter den Siegern verteilt, wenn Sie diese leicht primitive Formulierung gebrauchen wollen. Außerdem kurbelt es die Konjunktur an.«
    »Hm«, murmelte Fichtner, wobei er sich am Hinterkopf kratzte. Der Gedanke daran, dass sein Bruder, ein notorischer Spieler, am Arbeitsplatz tagtäglich der Versuchung ausgesetzt gewesen war, einen der Bankbelege einfach verschwinden zu lassen, entsetzte ihn.
    »Gab es ab und zu Kontrollen?«, erkundigte sich der Sektionsrat.
    »Sie meinen, bei uns? Seitens des Ministeriums? Freilich, gerade diese Woche hat sich wieder eine Kommission angemeldet.«
    »Wie oft findet so eine Geschäftsprüfung statt?«
    »Unterschiedlich. Manchmal jeden zweiten Monat, dann ist wieder ein halbes Jahr Pause. Aber ich meine zu glauben, dass Sie auf etwas ganz Bestimmtes hinauswollen, Herr Sektionsrat, nicht wahr?«
    »So? Meinen Sie?«
    Schrader zuckte bescheiden mit den Achseln. »Es gehört seit einiger Zeit zu meinen Obliegenheiten, Lina Fichtners Kummer anzuhören. Ich kann mir vorstellen, wie schwierig die Ehe mit Wilhelm war. Mit der Zeit bin ich ihr vertraut geworden, müssen Sie wissen; rein freundschaftlich natürlich. Ich nenne mich ihren Ansprechpartner. Wenn Wilhelm wieder mal Sorgen bereitete, war ich halt eben zur Stelle.«
    »So auch am Tag seines Todes?«
    Stephan Schrader nickte. Er sprach mit der ernsten Stimme eines Mannes, der es gewohnt war, den Leidenskelch anderer Leute zu leeren. »Er war wieder mal nicht zu Hause. Schlechte Conduite, so was, sage ich Ihnen. Lina rief mich an, und wir besuchten den Prater. Sie war abermals überreizt. Ich wollte sie einfach auf andere Gedanken bringen.«
    Mittlerweile hatten sie ihre Wanderschaft

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