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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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seiner Schwägerin zu.
    Stephan Schrader bedachte ihn mit einem gewogenen Lächeln, während er 80 Gulden auf Impair setzte. Obwohl die Anwesenden keineswegs von der Hand in den Mund lebten, räusperten sich einige von ihnen vernehmlich, als der Betrag auf dem Tisch lag. Der Durchschnittslohn eines kleinen Staatsbeamten lag bei 160 Gulden – exakt die mögliche Gewinnsumme von Schraders Einsatz.
    »Mein werter Herr, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie 80 Gulden gesetzt haben«, wandte sich der Saladier an den Beamten. »Falls dies durch eine Unachtsamkeit geschehen ist, so haben Sie jetzt die Möglichkeit, den Einsatz zu korrigieren.«
    »Herr Schrader spielt gern auf Risiko«, mischte sich Fichtner ein, der es sich angelegen sein ließ, Linas Begleiter zu piesacken.
    »Ihr Einverständnis, der Herr?«, ließ sich der Saladier nicht beirren.
    Schrader nickte wortlos, worauf der Mann den goldenen Löwen wieder vom Gewinnfeld nahm und dem Drehcroupier ein Zeichen gab.
    Dieser warf die Kugel ins Rad, und nach einiger Zeit gab er bekannt: »Rien ne va plus.«
    Fichtner beugte sich zu Schrader hin, damit ihn dieser besser verstehen konnte. »Falls die Kugel auf Ungerade fällt, müssen Sie Mystiker sein und Ihre Eingebung vom Teufel erhalten haben.«
    »Wie kommen Sie zu dieser absurden Vermutung«, entgegnete Schrader, der inzwischen leicht gereizt war. »Die Chance ist eins zu eins, ein Gewinn wäre alles andere als ein Wunder.«
    Die Kugel hüpfte durch den Nummernkranz.
    »Zählen Sie die Zahlen von eins bis 36 zusammen, dann wissen Sie, was ich meine.«
    Bis zu fünf Umdrehungen hatte die Kugel bereits am Kesselrand zurückgelegt.
    »Wie kommst du überhaupt hierher, Robert?«, zischte Lina. »Musst du den Aufpasser spielen? Wie früher, als du deinen Bruder vor mir beschützen wolltest? Sogar diesen Warnstedt hast du im Schlepptau, wie ich sehe.«
    Ein Aufschrei ging durch die Anwesenden, als die Kugel vorübergehend in das Nummernfach der Null fiel und wieder in die Spiralbahn geschleudert wurde. Fiebrige Anspannung lag über dem Tisch.
    »Die Drei!«, rief jemand.
    »Nein, die 14.«
    Ein letztes Aufspringen der silbernen Kugel. Sie hüpfte zweimal, schlug an einem der hölzernen Ränder an und fiel schließlich in ein rotes Fach.
    »Dix-neuf«, rief der Chef de Partie. »Die 19. Gewonnen haben: Rot, Passe, die erste Kolonne, das zweite Douzaine.« Er wandte sich direkt an Stephan Schrader, als er seine Rede schloss: »Und natürlich: Impair.«
    Lina Fichtner klopfte ihm erfreut auf die Schulter.
    Der Ministerialbeamte nahm die Jetons entgegen. Es war ein derart großer Haufen, dass er seine Begleitung bitten musste, einen Teil davon zu übernehmen. Die Witwe griff nach einigen der wertvollen Scheiben und ließ sie in ihre Handtasche gleiten. Ein paar Worte wurden gewechselt. Schrader machte den Vorschlag, sich den Gewinn ausbezahlen und quittieren zu lassen, bevor man sich dem weiteren Verlauf des Abends unterwerfe, und Lina stimmte zu.
    Robert verfolgte das Geschehen mit unschlüssiger Miene, gab Warnstedt aber dennoch mit einem Wink zu verstehen, sich dem Paar anzuschließen. Unter allerlei nichtigen Gesprächen ging die Gruppe zu einer Nische, in welche man einen Tisch gestellt hatte, an dem ein offiziell dazu abgestellter Mann saß, welcher für die finanziellen Transaktionen des Abends zuständig war. Eine Messingplakette wies ihn als Mitarbeiter der Wiener Hof- und Debitorenbank aus, die sich nicht zu fein dafür war, an den Umtrieben des galizischen Attachés mitzuverdienen.
    »80 Jetons zu je zwei Kronen, das macht eine Summe von 160 Kronen, wenn’s beliebt, der Herr. Möchten S’, dass ich Ihnen einen Einzelscheck ausstelle? Oder doch lieber zwei oder vier?«
    »Einer genügt«, befand Schrader und gab seinen Namen und seine Adresse an.
    Der Bankbeamte vollführte einige Striche mit seinem Tintenfederhalter, stempelte den Scheck und die Quittung und reichte sie dem Beamten.
    »Und nun?«, versuchte Warnstedt, der sich ein wenig im Hintertreffen fühlte, dem Geschehen einen neuen Impuls zu geben. »Wo wir jetzt schon zu viert sind und der ganze Abend den Odeur des Zwielichtigen atmet, drängt sich eine Partie Karten geradezu auf. Was meinen Sie?«
    »Tarock?«, schlug Fichtner vor.
    »Das ist zu bäuerisch, zu wenig mondän«, warf Schrader ein. Unterdessen hatte sie ihr Weg weiter durch den Raum geführt, der rückwärtigen Wand entlang, bis sie an einem Durchgang angelangt waren. »Wie

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