Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
wartet auf einen König
Kinderlieder haben mein Weltbild zementiert. Genauer gesagt war es nur ein Lied. Das von der dummen Liese: »Kommt ein Reitersmann daher durch die grüne Wiese, / hat ein Wams von Seide an, neigt sich vor der Liese: / Jungfrau lieblich, Jungfrau schön, tanzen wir ein wenig? / Mag nicht tanzen, danke schön, wart auf einen König!«
Danach kommen noch ein Edelmann, ein Kaufmann, ein Schneider, die alle mit der dummen Liese tanzen wollen. Aber sie weigert sich. Wir haben dieses Lied in der Grundschule regelmäßig gesungen. Ich durfte die Liese spielen. Frühkindliche Prägung. Ich denke, es war ein Menschenexperiment meiner Grundschullehrerin. Damals waren gerade die Graugans-Versuche von Konrad Lorenz in Mode.
Die dumme Liese hat im Grunde völlig recht, dass sie nicht den ersten dahergelaufenen Ritter nimmt, mit dem sie dann in einer Altbauwohnung landet, wo sie sich die Langeweile mit dem Currywurstquartettoder Siedler vertreiben muss. Sie sitzt gemütlich auf einer grünen Wiese. Und im Gegensatz zu meiner Schulzeit, als die dumme Liese ganz allein auf der Wiese hockte, leisten ihr heute ihre besten Freundinnen Gesellschaft.
Neulich war ich bei einer Bekannten zum Gans-Essen eingeladen. Wir waren sechs Frauen. Etwa bei der fünften Flasche Wein wussten wir nicht mehr, auf was wir noch anstoßen sollten. Wir hatten mit unseren Trinksprüchen bereits mehrmals die Welt umrundet, hatten zuletzt auf das linke Sonnensegel der ISS getrunken. Und jetzt? »Auf die tollen neuen Ikea-Servietten«, sagte jemand am Tisch. »Auf Zwei-Mann-Zelte, die sich selbst aufbauen«, sagte eine andere. Dann schlug eine etwas Unerhörtes vor: »Auf die Männer!« Stille. Erschrecken. Dass wir darauf nicht gekommen waren. Wir hatten zwischenzeitlich sogar auf Kochbananen getrunken. Wie hatten wir die Männer vergessen können? Vorsichtig, um nichts zu verschütten, näherten sich einander sechs Weingläser über dem Tisch. Glöckchenhell klang es, als die Gläser sich berührten. »Auf die Männer«, flüsterte eine von uns. Ja, auf die Männer.
Es war, als hätten wir einen Trinkspruch auf einen geliebten Toten gebracht. Oder auf eine gefürchtete Gottheit.
Ich sage es ungern, aber ich glaube, wir richten uns gerade in einer Welt ein, in der Männer einfach nur noch passieren. So wie Hagel- oder Graupelschauer. Oder wie Schneeverwehungen. Auf einmal sind sie da, aber gerade wenn man eine Mohrrübe kaufen will, um einen Schneemann zu bauen, sind sie weggetaut.
Und wie sieht die Zukunft aus?
Wenige Tage nach dem Essen trafen sich sechs Freundinnen im Borchardt. Allesamt Singles, was man auf den ersten Blick gar nicht glauben mochte, wenn man sie da so sitzen sah. Alle sechs hatten sich das argentinische Rinderfilet bestellt, zwei blutig, die anderen medium. Die Zweitschönste von ihnen, die bis dahin recht mürrisch in die Runde geschaut hatte, setzte plötzlich ihr freundlichstes Lächeln auf. Ein Mann näherte sich dem Tisch, ein berühmter Mann. »Hallo Schatz, was machst du denn hier?«, fragte sie. »Seit wann bist in Berlin? Bleibst du? Schön, dich zu sehen.«
Man verabredete, sich bald zu treffen, dann ging der berühmteMann weiter. Das Lächeln der zweitschönsten Frau erstarb. »So ein Idiot«, sagte sie, bevor sie sich wieder dem blutigen Filet widmete. Eine andere war gerade dabei, von ihrem Blind Date zu erzählen. Fast Blind. Sie hatten mal bei einem Essen nebeneinandergesessen und vergessen, Nummern auszutauschen und Nachnamen zu verraten. Ein halbes Jahr hatte sie gebraucht, um ihn in einer kleinen Stadt an der holländischen Grenze ausfindig zu machen. »Was für eine romantische Geschichte«, stöhnte die drittschönste Frau. Doch das Blind Date ging ja noch weiter: »Und dann trug er eine Helly-Hansen-Jacke, stellt euch das mal vor. Na, ich hab ihn dann gleich nach dem Essen stehen lassen. Ich bin betrunken und muss nach Hause, hab ich gesagt. Aber dahinten ist noch eine schöne Bar, da kannst du hin.« Die anderen nickten. »Helly Hansen geht ja auch gar nicht«, sagte jemand.
Ein König hat sich bei der dummen Liese übrigens nie blicken lassen. Aber nach sieben Jahren schlurfte der Schweinehirt Jochen-Christof Stoffel vorbei, und den hat die dumme Liese dann zum Tanzen gezwungen. Tolle Aussichten.
Die Welt ist so friedlich ohne Männer
Letztens stand ich vor dem Spiegel und stellte fest, dass mein Augenverdreh-Muskel verkümmert. Verzweifelt versuchte ich, vor dem Badezimmerspiegel
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