Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
offenbar auch nicht glauben kann, dass es so viele Männer in Berlin gibt, erzählte neulich von einem wundervollen Argentinier mit vollem Haar, das auch am Rücken nicht enden wollte. Als es intim zu werden drohte, flüsterte er ihr etwas ins Ohr. Und zwar offenbar das einzige deutsche Wort, das er kannte: »Rolltreppe«. Was? »Rolltreppe, no?«
Gibt es etwas Romantischeres als das Wort Rolltreppe? Als Frau Zeh uns anderen am nächsten Tag davon erzählte, schwebte sie imsiebten Himmel. »Das war ein Kompliment. Er meinte natürlich eigentlich stairway to heaven.« Wir bewunderten ihr positives Denken. Wahrscheinlich kann sie auch mit Delfinen und Theaterschauspielern kommunizieren.
Mir sagte ein Freund neulich, als er versuchte, Glück zu wünschen: »Ich drück dir die Ohren steif.« Noch schöner wäre es allerdings, wenn er mir die Zehen halten würde.
Das mit der Sprache scheint auch umgekehrt zu funktionieren. Ein Freund, im Deutschen durchaus holprig und unlustig, reißt Italienerinnen reihenweise zu Lachstürmen hin, ein anderer, eine echte Pest in deutschen Kneipen, kommt in spanischen Bodegas recht gut an. Die Sprache macht uns zu anderen Menschen. Und wenn man im Deutschen ein Idiot ist, kann man immer noch in Amerika sein Glück versuchen. Nur nicht aufgeben: Irgendwo gibt es bestimmt den Menschen, der uns nicht versteht.
Gibt es hier denn keinen Champagner?
Ich bin tot. Eine Partyleiche. Nicht dass ich auf jeder Party dieser Woche eingeladen gewesen wäre. Aber irgendwie kommt man ja doch immer rein. Eine befreundete Kollegin zum Beispiel sagte mir, dass sie es nicht zu einem der begehrtesten Feste schaffen würde. Ich könne doch unter ihrem Namen … Klar. Hinter dem Einlassschalter, aber noch vor der Garderobe stellte sich mir das strenge junge Mädchen in den Weg. Wie war doch gleich der Name? Inzwischen ging mir mein Party-Pseudonym recht leicht von den Lippen. Sie: »Das kann nicht sein! Das ist meine Mutter.«
In einer solchen Situation ist Improvisationstalent gefragt. »Wann haben Sie Ihre Mutter denn zum letzten Mal gesehen?« Oder: »Kind, ich bin es doch.« Ich durfte bleiben.
Berlin ist zweigeteilt. Man erkennt die Kontrahenten auf einen Blick. Da sind einmal die mit Augenringen von der Farbe eines doppelten Espresso. Ihren Lieblingssatz »Heute Abend mach ich gar nichts« bringen sie so bestimmt heraus, als würden sie ihn selber glauben. Natürlich sind sie wieder dabei. Die anderen sind die, dieauf das Wort »Party« mit einem entrüsteten »Ich arbeite!!!« reagieren. Sie sind immun gegen Berlins Schmeicheleien: Komm schon, nur diese eine Party noch. Los, du wirst es nicht bereuen. Heute rolle ich dir den roten Teppich aus, und nächste Woche ist wieder Winter.
Aber wohin nur? Keine Veranstaltung ohne mindestens fünf Gegenveranstaltungen. Und frühmorgens im Borchardt präsentieren sie einander ihre Erlebnisse wie eine Beute. Wir finden die üblichen Partygänger. Der Mitte-Clan, der sich gegenseitig fotografiert und die Fotos dann ins Internet stellt. Die PR-Frauen, die sich gegenseitig zu ihren Partys einladen und die besten Freundinnen sind, solange sie sich nicht gegenseitig die Kunden abwerben. Die Filmleute, welche die fehlenden Visitenkarten für ihre Netzwerke mit dem gleichen Eifer sammeln wie früher Fußballbildchen. Und die Schauspieler, die hier absorbiert werden, bis auch sie vor allem eines sind: Partygäste. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.
Neuerdings sind auch solche dabei, die am nächsten Tag zum Businesslunch müssen. Sie heben den Altersschnitt, machen die ganze Sache irgendwie seriöser, und ihre Anwesenheit gibt den anderen die Berechtigung, auch morgen wieder dabei zu sein: Die Erwachsenen machen auch mit. Da können wir länger aufbleiben.
Da drüben lehnt der Mann aus der Audi-Werbung; wie klein er ist und wie hübsch. Daneben sagt ein Berlinale-Gast zu einem Regisseur: »Wir müssen uns treffen.« – »Warum?« – »Wir könnten kochen. Oder was anderes Schönes machen …« Vier Gläser weiter: »Und du?« – »Ich heiße Michel und mache Faxen vor der Kamera. Komm Baby, ich zeig dir, was hier noch so abgeht.« Michel wer? Egal, man sieht sich. Oder auch nicht. Noch einen Prosecco.
Die Stadt ist abwechselnd atem- und schlaflos. Frau Zeh, die sich täglich von irgendwoher mit dem Satz »Ich lebe noch« meldet, kam kürzlich in ein Hotel, wo sie eine Freundin abholen wollte. Deren Tür stand sperrangelweit offen, doch von der Freundin keine
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