Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
träumen. Ein ganzer Tag liegt vor ihm, und an diesem Tag kann alles passieren.
Wie beschreibt man liierten Menschen dieses wundervolle Gefühl? Single sein ist, als lebe man in einer großen Stadt und könnte jeden Tag ins Theater gehen, ins Konzert, zum Jazz. Überallhin. Eine Beziehung ist eher wie ein langes Straßendorf, an dessen einziger Hauptstraße ein Geschäft nach dem anderen schließt und wo der Höhepunkt das alljährliche Schützenfest ist.
Der Single aber kann zum Beispiel von New York träumen. Er kann träumen, dass er auf einer Spätsommerparty im Central Park steht und dass eben noch fünfzehn Fotografen vor ihm auf den Knien lagen, und er muss lächeln bei dem Gedanken: Gleich in der Redaktion kriegen sie von ihrem Redakteur zu hören: »Who is that fucking nobody in that fucking Glitzerkleid?«
Aber das interessiert den Single nicht wirklich, sein Traum führt ihn ganz woandershin. Direkt zur Säule. Denn dort steht er, der Traummann des Abends. Wer er ist? Er könnte alles sein. Zum Beispiel ein gelebtes New Yorker Klischee. Er kommt aus Israel und macht irgendwas mit Immobilien. Er trägt ein Karohemd. Er sieht aus, als käme er direkt aus dem Wochenendurlaub in den Hamptons. Er steht da wie bestellt, und ich hole ihn jetzt ab.
Zwei Wodka-Tonics später und nachdem wir den israelischpalästinensischen Konflikt gelöst haben, schlendern wir zum Seelöwenbecken. Es gibt jetzt nur noch uns und den Seelöwen. Hatte ich erwähnt, dass der Traum im Zoo spielt? Der Seelöwe schaut uns an. Er riecht nach Fisch, und wir bekommen Hunger auf Sushi.
Es ist schon früh am Morgen, aber der Traummann winkt auf der 5th Avenue nur kurz, und schon hält ein Taxi. Er ist diese Art Mann, die immer ein Taxi bekommt und nie in Pfützen tritt. Und er ist die Art Mann, die auch nachts um zwei noch ein geöffnetes Sushi-Restaurant findet. Diesmal bezahle ich, flüstert das Traum-Ich,nachdem es die Thunfisch-Sashimi runtergeschluckt hat. »Wir sind hier nicht in Berlin«, sagt er so bestimmt, dass mein Portemonnaie fast wie von selbst wieder in der Tasche verschwindet. Man muss auch offen sein für andere Sitten.
Ein Taxi bringt uns vor einen Klub. Die Türsteher winken uns herein. Die Türen sind offen. Keine Hindernisse, nicht in diesem Traum. Wo kommt ihr her, werden wir gefragt. Aus Israel, sagt er. Aus Deutschland, sage ich. Und das finden wir dann so schick und millenniummäßig fortschrittlich, dass wir bis zum Morgengrauen tanzen. Wir tanzen und tanzen, denn wir wissen, dass wir uns nicht wiedersehen werden, auch wenn wir heute so tun, als seien wir verliebt ineinander. Und ein bisschen glauben wir es sogar.
Als wir den Klub verlassen, treffen wir einen Amerikaner mit kolonialem Migrationshintergrund. In seinen Händen hält er ein silbernes Spielzeugauto mit riesigen Rädern. »Das würde ich euch gern schenken. Ich habe es auf dem Müll gefunden«, sagt er, »aber es ist kaputt.« Und dann beginnt er zu singen. Mit der schönsten Stimme, die wir je gehört haben: »Everybody loves somebody sometimes …«
Das stimmt – und wir summen mit, bis wir die Augen wieder aufschlagen und die Katze mit dem Fuß anticken, damit aus ihrem leisen Schnarchen ein Schnurren wird. Und um nicht aus der Übung zu kommen, sage ich zu der Katze: Igitt, du stinkst. Putz dir die Zähne.
Yo-Gaga. Oder: Wann hört das endlich auf?
Was ist da jetzt schon wieder los? Kann man in dieser Stadt nicht in Ruhe meditieren, muss das denn gleich wieder ausarten? Zuerst wurde jede zweite Döner-Bude von der vietnamesischen Zigarettenmafia in eine Sushi-Oase umgewandelt. Und drei Fischvergiftungen später – kaum sind der koreanische Koch und die japanische Dekoration entfernt – stehen plötzlich Tom Kha Gai und Zitronengrassuppe auf der Karte, und in der Ecke krümmt sich ein Plastikbambus unter dem Gewicht des auf ihn niederregnenden Bratfetts.
Jetzt also ein Thai-Imbiss. Thai-Imbisse sind das, was vor 20 Jahren der Hausgrieche war. Oder »mein Italiener«. Sie glauben, Sie sitzen beim Chinesen? Drehen Sie mal die Karte um: Thai-Spezialitäten! Ist ja auch quasi um die Ecke. Zur Not haut man eben ein bisschen Kokosmilch ins Chopsuey.
Thailändisches Essen schmeckt nicht nur gut, sondern ist sogar gesund, wenn hin und wieder mal das Sesamöl gewechselt wird. Man muss es ja nicht in den Ausguss schütten. Vielleicht könnte man ja noch den einen oder anderen Pankower Ölofen damit befeuern. Oder einfach ein paar Tröpfchen
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