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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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losgeschickt.
    Siebente Schwester der Kriegslisten zitterte und bleckte die
Zähne. Es gab nicht viel, das ihr am Festival Angst machte, aber
Springer standen ganz oben auf der Liste, sie kamen gleich nach dem Fringe. Das Fringe mochte einen aus einer
zufälligen Laune heraus umbringen, die Springer hingegen gingen
sehr viel zielgerichteter vor.
    Das hasenartige Wesen auf dem Gang hüpfte mit panischer Miene
auf sie zu. Burija hörte auf, Timoschewski zu belehren, und
wandte den Kopf. »Was ist los?«, fragte er.
    »Glaube, heute Abend gibt’s Hasenbraten«, polterte
Timoschewski los.
    »Nein! Bitte, meine Herren, helfen Sie mir!« Das
Kaninchen baute sich plötzlich vor ihnen auf, drängte zwei
jammernde Babuschkas zur Seite und streckte seine vorderen
Gliedmaßen aus. Arme, wie Siebente Schwester bemerkte, die in
beunruhigend menschlichen Händen endeten. Es trug eine Weste,
die ausschließlich aus Taschen zu bestehen schien und durch
Reißverschlüsse zusammengehalten wurde. »Mein Herr
ist in Schwierigkeiten!«
    »Hier gibt’s keine Herren, Genosse«, sagte
Timoschewski, der den Bittsteller offenbar als ungenießbar
eingestuft hatte. »Die revolutionäre Doktrin lehrt uns,
dass das einzige Gesetz in Rationalität und dynamischem
Optimismus besteht. Woher stammst du? Und wo ist dein
Personalausweis?«
    Kaninchen können ihre Gesichtsmuskeln nur schwer
kontrollieren. Dennoch gelang es diesem Exemplar, angemessene
Verwirrung an den Tag zu legen. »Brauche Hilfe«, brachte es in weinerlichem Ton hervor und schwieg dann kurz,
offensichtlich um Selbstbeherrschung bemüht. »Mein Herr ist
in Schwierigkeiten. Die Possenreißer sind hinter ihm her! Im
letzten Dorf sind sie zwischen uns geraten. Ich konnte entkommen,
aber ich fürchte, sie sind auf dem Weg hierher.«
    »Possenreißer?« Timoschewski schien verwirrt.
»Meinst du vielleicht Clowns?« Ein stählernes
Tentakel, als Endstück mit dem Flansch eines Gewehrlaufs
verschraubt, löste sich von seinem Rücken und stieß
suchend in die Luft. »Ein Zirkus?«
    »Zirkus des Todes«, bemerkte Siebente Schwester. »Fringe führt sich sehr schlecht auf. Falls
es hierher kommt, wird es allgemeinen Jubel über eure Revolution
dämpfen.«
    »Oh, wie das?« Timoschewski nahm Siebente Schwester
misstrauisch aufs Korn.
    »Hör ihr zu, Oleg!«, knurrte Burija.
»Sie ist mit dem Festival gekommen und kennt sich aus.« Er
rieb sich die Stirn, als schmerzte es ihn, ihr dieses Maß an
überlegenem Wissen einräumen zu müssen.
    »Oh?« In Timoschewskis Schädel gerieten die
Mühlen langsam in Bewegung. Offenbar beanspruchte die Fülle
künstlicher Verstärkungen einen Großteil seiner
Aufmerksamkeit, wenn sie funktionieren sollten.
    Siebente Schwester stampfte so heftig mit dem Fuß auf, dass
der Boden erzitterte. »Possenreißer sind langweilig. Ich
sage: Helft Kaninchen. Lernt etwas Neues, vielleicht
bühnenreifes Rettungsdrama?«
    »Wenn du meinst.« Burija wandte sich Oleg zu.
»Hör mal, du hast die Dinge hier doch ganz gut im Griff.
Ich würde gern sechs deiner besten Männer – wem sag
ich das? – mitnehmen, um diese Possenreißer zur Schnecke
zu machen. Wir können’s wirklich nicht brauchen, dass sie
hier ein Chaos anrichten. Ich hab gesehen, was die anstellen, und es
gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Ein Volkskommissar mit bleichem Gesicht, der hinter Oleg gestanden
hatte, drängte sich nach vorn. »Seh nicht ein, warum wir
auf dich hören sollen, du Schweinefleisch fressender
Kosmopolit«, schnarrte er mit breitem Akzent. »Das hier
nicht deine Revolution, das hier unabhängige Raumfahrer-Republik
von Plotsk. Wir lassen uns zentralistischen Mist nicht
gefallen!«
    »Halt den Mund, Babar«, sagte Oleg. Das Tentakel, das
aus seinem Rücken ragte, rotierte, um den Mann aus dem Osten in
Augenschein zu nehmen. An der Spitze leuchtete schwach ein rotes
Lämpchen auf. »Burija ist ein guter Genosse. Wenn er uns
den Zentralismus aufzwingen wollte, wärt ihr mit Streitmacht
gekommen, denke ich, oder?«
    »Ist er ja auch«, bemerkte Siebente Schwester, ohne dass
die Revolutionäre sie beachteten.
    »Er geht mit Trupp Wachsoldaten. Ende der Debatte«,
fügte Oleg hinzu. »Ist ein guter Revolutionär. Vertrau
ihm, er wird Sache gut machen. Sache mit… Kaninchen.«
    »Wehe du irrst dich, Timoschewski«, grunzte Babar.
»Wir keine Idioten. Dulden kein Versagen.«
     
    Bereits eine Minute, nachdem er das Bewusstsein wiedererlangt
hatte, war Sauer aus der Offiziersmesse entkommen

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