Singularität
gar
nicht, bis man nach Hause zurückkehrte, doch man hatte eben die
Kausalität verletzt. Und das Eschaton hatte ein ernsthaftes
Problem mit Leuten, die so etwas taten.
Deshalb war der Fall Omega eines der heikelsten Dokumente im
Archiv der Kriegspläne, über welches die Marine der Neuen
Republik verfügte. Darin wurden mögliche Methoden und
Mittel erörtert, wie man aus der Verletzung der Kausalität
– durch Zeitreisen innerhalb eines gewählten Bezugsystems
– strategische Vorteile ziehen konnte.
Rochards Welt war gut vierzig Lichtjahre von New Austria entfernt.
Normalerweise bedeutete das fünf bis acht Sprünge, eine
recht anstrengende Reise, die drei oder vier Wochen dauern
würde. Jetzt, in Zeiten des Krieges, konnte man davon ausgehen,
dass die direkten Anflugstrecken von New Austria zu Rochards Welt
überwacht wurden. Jede Flotte, die angreifen wollte, würde
mit einem Sprung den Queens Head-Nebel umgehen müssen, denn es
gab praktisch kein Durchkommen durch diese Wolke aus Gas und Staub,
in der sich gerade drei oder vier heiße, dichte Kerne
herausbildeten, die sich nach einer Kernfusion irgendwann zu Sternen
entwickeln mochten.
Natürlich bestand auch die Möglichkeit, die
Omega-Strategie so anzuwenden, dass man die Ankunftszeit –
sorgfältig austariert – in die Phase verlegte, in der das
erste Notsignal von Rochards Welt eingegangen war. Auf diese Weise
würde man die Gegner überrumpeln können, ohne eine
absolute Verletzung der Kausalität verantworten zu müssen.
Allerdings würde das sogar noch zusätzliche Sprünge
erfordern und die Flotte viele Lichtjahre in die eigene Zukunft
entführen, bis sie in einer Schleife innerhalb des
raumähnlichen Ereignishorizonts in die eigene Vergangenheit
zurückkehren konnte. Es würde, wie Bauer jetzt klar wurde,
die weitestreichende militärische Operation in der Geschichte
der Neuen Republik werden. Und an ihm, Gott sei ihm gnädig,
würde es liegen, dafür zu sorgen, dass es tatsächlich
klappte.
Burija Rubenstein schlug mit einem ausgelatschten Filzstiefel auf
den aus groben Holzstämmen gezimmerten Tisch. »Ruhe!«,
brüllte er. Als ihn niemand beachtete, zog er die kompakte
Pistole heraus, die die eingehandelte Maschine für ihn
angefertigt hatte, und feuerte auf die Saaldecke. Es war nur ein
leichtes Summen zu hören, aber der Putz, der anschließend
herunterrieselte, erregte allgemeine Aufmerksamkeit. Während
alles würgte und hustete, bellte er: »Zurück zur
Tagesordnung, Ausschussmitglieder!«
»Warum sollten wir?«, kam ein Zwischenruf aus dem
hinteren Bereich der voll besetzten Bierhalle.
»Weil ihr es mit Politowski und seinen Dragonern zu tun
bekommt, falls ihr nicht die Klappe haltet und mich ausreden lasst.
Das Schlimmste, das ich euch antun würde, wäre, euch
einfach abzuknallen. Aber wenn ihr dem Herzog in die Hände
fallt, könnte es passieren, dass ihr für den
Lebensunterhalt arbeiten müsst!« Gelächter. »Und
zwar für seinen Lebensunterhalt. Wir haben jetzt die
beispiellose Chance, die Ketten wirtschaftlicher Sklaverei
abzuwerfen, die uns an Scholle und Fabrik binden, und ein Zeitalter
aufgeklärter gesellschaftlicher Mobilität einzuläuten
– ein Zeitalter, das uns die Möglichkeit gibt, zu besseren
Menschen zu werden, zum Allgemeinwohl beizutragen und zu lernen, wie
man seine Arbeitskraft klüger einsetzt und schneller lebt. Aber
die reaktionären Kräfte sind skrupellos und auf der Hut,
Genossen; in eben diesem Moment bringt ein Shuttle der Marine
Soldaten nach Outer Chelm, das sie einnehmen und in einen gegen uns
gerichteten Stützpunkt verwandeln sollen.«
Als Oleg Timoschewski aufstand, war ein eindrucksvolles
Ächzen und Scheppern zu hören. »Keine Sorge! Wir
werden sie zerschmettern!« Er schwenkte den linken Arm durch die
Luft, während seine Faust die unverkennbare Form einer Flak
nachzeichnete. Oleg, der sich mit dem Überschwang des geborenen
Cyborgs in das Meer neu zugänglicher Methoden zur Verbesserung
der Körperausstattung gestürzt hatte, hätte für
ein Plakat der Transhumanistischen Front oder sogar der
Freiheit-im-All-Partei posieren können.
»Das reicht, Oleg.« Burija warf ihm einen finsteren
Blick zu und wandte sich wieder an sein Publikum. »Wir
können es uns nicht leisten, diesen Kampf durch Anwendung von
Gewalt zu gewinnen«, sagte er nachdrücklich.
»Kurzfristig gesehen mag das verlockend erscheinen, aber es
würde lediglich dazu dienen, uns bei den Massen zu
diskreditieren. Und die
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