Sinnliche Eroberung
die Pferde Tor anzuvertrauen und zu Fuß zu gehen. Sie sah sofort, daß sich mehr Soldaten in der Festung befanden, als bei ihrem ersten Besuch. Paullinus musste mit seinen Legionären aus Wales eingetroffen sein. Sie wurde so ungeniert angestarrt, daß sie erleichert war, auf einmal das vertraute Gesicht von Petrius zu entdecken. Er kam sofort zu ihr, und der gutaussehende Zenturio strahlte vor Freude.
»Mein Bruder ist ein glücklicher Mann, daß ihm derart sklavische Ergebenheit zuteil wird, Diana.«
Sie schenkte ihm ein blendendes Lächeln. »Weißt du, wo er steckt?«
»Sehr beschäftigt, fürchte ich. Paullinus ist mit seiner Armee eingetroffen und Marcus hält sich im Valetudinorium bei all den Verwundeten auf. Ich werde dich an seiner Statt begleiten. Hast du die Festung schon besichtigt?«
Markus visitierte also eine Art Hospital. »Ich war schon mal hier, aber bin nicht lange geblieben. Wenn Marcus zu beschäftigt ist, dann gehe ich am besten wieder.«
»Geh nicht. Wenn er hört, daß ich dich nicht unter meine Fittiche genommen habe, wird er mir gehörig den Marsch blasen.« Petrius grinste jungenhaft. »Und ich stehe noch bei ihm in der Kreide, weil ich neulich betrunken in der Villa aufgetaucht bin.«
Diana stieg eine zarte Röte ins Gesicht. Sie wollte eigentlich nicht bleiben, aber auch keine Mißstimmung zwischen den Brüdern hervorrufen. Dieser tapfere junge Mann würde schon in einer Woche nach Wales aufbrechen müssen, und da brachte sie es nicht übers Herz, ihn abzuweisen.
»Laß mich mal überlegen. Was könnte dich interessieren? Ich schlafe in den Offiziersquartieren, eine langweilige Ansammlung von Feldbetten. Von den Wachtürmen hat man einen netten Blick über die Stadt, aber das ist für eine schöne Frau auch nicht sehr aufregend. Hast du den Tempel schon besichtigt?«
»Nein, ich habe noch nie einen römischen Tempel gesehen.«
»Ihr Briten betet Sul an, den Sonnengott, stimmt's?«
»O nein. Ich bin Christin«, erklärte sie.
Petrius starrte sie erstaunt an. »Eine Christin?« Das war diese seltsame Sekte von Aufrührern, die Nero so erbittert verfolgte. In Rom war es üblich geworden, alles den Christen in die Schuhe zu schieben und sie dementsprechend zu bestrafen. Römer liebten es, menschliches Blut zu vergießen, so daß es eine dauernde Nachfrage nach christlichen Gefangenen bei den Spielen gab. Petrius würde sich diese Information sorgfältig merken. Instinktiv wusste er, daß ihm diese Bekanntschaft noch einmal nützen konnte.
»Hier in der Festung gibt es ein Hauptbauwerk, in dem sich mehrere Tempel befinden.« Als sie das Erdgeschoß betraten, sah sie, daß mehrere Türen von der Eingangshalle wegführten. Auf der einen war der Name JUPITER OPTIMUS MAXIMUS ins Holz geschnitzt und auf einer anderen stand MITHRAS. Auf einer dritten las sie MARS, der, wie Diana wusste , der Kriegsgott war, und auf der letzten Tür stand FORTUNA, der Name der Glücksgöttin.
»Marcus verehrt Jupiter, aber die meisten Soldaten beten Mithras an. Es ist ein männlicher Kult. Mithras ist ein unbesiegbarer Gott, der für den Mut steht. Laut Legende wurde Mithras befohlen, einen Stier zu fangen. Aus seinem Körper entspringen Pflanzen und Bäume, aus seinem Blut ersteht neues Leben und sein Samen ist das Symbol für die Fortpflanzung.«
Er führte sie durch die Tür mit dem Namen MITHRAS und sie stiegen über eine Treppe auf eine Galerie, von wo aus sie auf einen steinernen Altar herabblicken konnten. Unterhalb des steinernen Ungetüms stand ein großes Becken, an dem sich ein paar Zenturione versammelt hatten. Petrius wies auf einen Mann, der aussah wie ein ungeschlachter Bär, und flüsterte: »Das ist Suetonius Paullinus. Er ist wohl hier, um dem Gott seinen Dank für seine Siege über die Kelten auszusprechen.«
Ein muskulöser junger Mann, der lediglich einen weißen Lendenschurz trug, stellte sich an dem Altar auf. Er hielt einen enormen Eisenhammer und ein Schwert bereit. Auf einmal ertönte ein lautes Brüllen und ein schneeweißer Stier raste wutschnaubend auf den Altar zu. Der Mithras-Jünger hob seine muskulösen Arme hoch in die Luft und schlug dem Stier mit dem Eisenhammer auf den dicken Schädel. In dem Moment, in dem das Tier in die Knie brach, stieß er ihm sein Schwert in den Hals und brachte ihm eine tiefe Wunde bei. Das Blut spritzte in alle Richtungen und floß dann in Strömen über die Betenden und in das große Becken. Die Männer waren innerhalb kürzester Zeit vom
Weitere Kostenlose Bücher