Sinnliche Maskerade
wachsen und gedeihen ...« Sie brach ab, als er eine Hand hochhielt.
»Nein, sprich nicht weiter«, befahl Peregrine, »je weniger ich die Einzelheiten kenne, desto besser.«
»Aber du hast doch gefragt.«
»Ja, und das war ein großer Fehler. Jetzt weiß ich die Fakten, die sowieso auf der Hand liegen. Mehr brauche ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »So viel Wahrheit bin ich gar nicht gewohnt. Es macht mich hungrig. Bestimmt hat Mistress Croft ein leichtes Abendessen für uns in der Küche stehen lassen. Ich hole es mal.«
Alexandra wusste nicht, wie sie seine Aufnahme der Geschichte deuten sollte. Warum zeigte er nicht den Abscheu, mit dem sie gerechnet hatte? Einen Abscheu, den jeder Mann mit Ehre an den Tag legen würde? Sie folgte ihm in die Küche und fühlte sich ein wenig wie das verlorene Schaf.
»Willst du denn gar nichts dazu sagen?«
Er untersuchte die abgedeckten Platten auf dem Küchentisch.
»Was gibt es denn da zu sagen? Ich habe dich um die Wahrheit gebeten, und du hast mir die Wahrheit erzählt. Sollen wir hier in der Küche essen? Der Ofen ist noch warm, und ich finde es hier ziemlich gemütlich.«
»Ja, wenn du möchtest.« Sie nahm die Deckel von den restlichen Platten, während Peregrine mit einer Kerze in den Keller ging und eine Flasche Wein holte.
»Sieht nach zartem Kalbsfleisch und Schinkenpastete aus«, bemerkte sie, als er zurückkam. Alex hatte das Gefühl, dass sie bereits wieder eine andere Rolle spielte - und zwar die einer vollkommen normalen Frau in einer durch und durch normalen Situation. Aber wenn Peregrine sich benehmen konnte, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen, warum dann nicht auch sie?
»Eine der Spezialitäten von Mistress Croft.« Er entkorkte eine verstaubte Flasche und stellte sie auf den Tisch. »In der Anrichte gibt es bestimmt ein paar Gläser.«
Alex fand die Gläser, und Peregrine schenkte ein, bevor sie sich an den Tisch setzten. Alex nahm ihm gegenüber Platz und zerteilte die Pastete, während er den Schinken hauchdünn schnitt und ihr eine Scheibe auf den Teller legte.
Eine Weile aßen sie schweigend, so lange, bis Alex es nicht mehr ertragen konnte.
»Peregrine, du musst doch irgendwas zu sagen haben«, platzte sie schließlich heraus, »ich habe dir gerade gestanden, dass ich ein uneheliches Kind bin. Eine Betrügerin, nicht mehr als eine Diebin. Bist du gar nicht schockiert? Wütend? Angewidert?«
»Nein«, gab er fröhlich zurück, »nichts von alldem. Ehrlich gesagt, ich hatte es mir weit schlimmer vorgestellt.«
Langsam kam Alex sich vor, als wäre die Welt aus den Angeln gehoben.
»Was könnte es denn noch Schlimmeres geben?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Mord, ganz bestimmt. Vielleicht eine andere Art von Dieb-stahl.« Er lächelte. »Lassen wir das dahingestellt sein. Ich erwecke den Eindruck, als sei ich nicht so schockiert, wie ich es sicherlich sein sollte.« Er schob sich eine Gabel voll Pastete in den Mund. »Iss dein Abendbrot.«
Alexandra entspannte sich. Und langsam, ganz langsam, keimte wie eine Knospe das Glück in ihr. Sie hatte ihm eine wirklich üble Geschichte erzählt, aber das Schlimmste war nicht eingetreten. Eine überwältigende Leichtigkeit schien sie zu durchfluten, so als ob alles Elend und jegliche Angst, all das Grauen und die Anspannung, der Schrecken vor der Entdeckung, sich so gründlich verflüchtigt hatten, als hätte sie sie niemals empfunden. Und sie dachte darüber nach, wie erfreut Sylvia wäre -Sylvia, die zuerst erkannt hatte, dass es so ausgehen könnte. Natürlich war es noch nicht vorüber; noch immer musste sie die Aufgabe, die sie sich selbst gestellt hatte, zu Ende bringen. Aber immerhin führte sie Peregrine nicht länger an der Nase herum.
Sie aß das Kalbsfleisch und die Pastete, eine Scheibe Schinken, Reispudding und gewürzte Birne und trank Wein. Peregrine aß auch mit Appetit, behielt sie aber verstohlen und mit einem Lächeln immer im Blick. Alexandra stellte ihn immer noch vor gewisse Hindernisse; aber sobald er die übersprungen hatte, würde er auf die Zielgerade einbiegen und seine Familienpflichten mit seinem persönlichen Glück vervollständigen.
Schließlich legte Alexandra ihren Löffel ab.
»Noch nie habe ich so viel auf einmal gegessen«, verkündete sie staunend und gähnte. »Und ich kann es mir gar nicht erklären, dass ich so unglaublich müde bin.«
»Das ist ganz und gar nicht unerklärlich.« Peregrine erhob sich lachend. »Komm mit, ich bringe
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