Sinnliche Maskerade
Alexandra verfolgte.
Als sie in die King Street einbogen, öffnete Peregrine den Kutschenschlag und versperrte ihr den Weg.
»Steig ein, Alexandra.« Ihre Augen waren vor Angst geweitet, als sie ihn anschaute. »Komm schon«, beharrte er und reichte ihr eine Hand, »sonst holst du dir noch den Tod. Es regnet.« Er sprach ruhig, leise und hoffte, dass seine Stimme sie beruhigte.
Die riesige Angst in ihren Augen erstaunte ihn ebenso, wie sie ihn erschreckte.
Zögernd ergriff sie seine Hand und kletterte in die Kutsche. Er schlug die Tür zu, während sie in der Ecke Platz nahm und plötzlich die Augen schloss. Peregrine setzte sich in die Ecke gegenüber und schwieg, als die Kutsche sich durch die geschäftigen Straßen bewegte.
Während der gesamten Fahrt, die für Alex eine Ewigkeit dauerte, wurde kein Wort gesprochen. Jedes Mal, wenn der Wagen wegen eines streunenden Hundes, wegen Fußgängern oder eines entgegenkommenden Fahrzeugs beinahe anhalten musste, befürchtete sie, ihre Mutter durch die Fenster linsen zu sehen. Natürlich war ihr klar, dass ihre Sorge unbegründet war, aber abschütteln ließ sie sich trotzdem nicht.
Schließlich hielt die Kutsche vor dem Haus in der ruhigen Stratton Street. Peregrine sprang heraus und half Alexandra.
»Danke«, schickte er den Kutscher fort, »heute Abend brauche ich Sie nicht mehr.«
»Gut, Master Peregrine. Gute Nacht, Madam.«
Um nicht unhöflich zu sein, brachte sie einen angedeuteten Knicks zustande. Peregrine schob sie zur Tür, schloss mit dem Schlüssel auf und stieß sie fast ins Innere.
»Nun bist du in Sicherheit«, verkündete er fast grimmig, »du kannst aufhören, wie eine versteinerte Katze dreinzublicken, und auch wieder normal atmen.« Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer und drängte sie hinein. »Ich schenke dir einen Cognac ein. Habe gehört, dass Cognac gut gegen den Schock helfen soll.« Großzügig füllte er das Glas.
Alexandra stand am Kamin. Mit zittrigen Händen nahm sie das Glas entgegen. Sie war immer noch so blass wie ein Gespenst, und als sie ihn anblickte, sah sie regelrecht verzweifelt aus. Sie klammerte sich an ihrem Glas fest, atmete den kräftigen Duft ein und trank einen zögerlichen Schluck, der sie wärmte und innerlich zu festigen schien.
Peregrine schenkte sich ebenfalls ein, trank langsam und beobachtete sie die ganze Zeit.
»Trink aus«, befahl er ihr, als sie ihr Glas zur Seite stellen wollte, »und wenn du ausgetrunken hast, werden wir die erste wahrhaftig aufrichtige Debatte über unsere Beziehung führen.«
In seiner Stimme lag eine Ruppigkeit, die ihr widersinnigerweise schneller dazu verhalf, ihre Fassung wiederzugewinnen, als sanftes Mitgefühl und Verständnis es vermocht hätten. Sie leerte ihr Glas, drehte es in den Fingern hin und her und starrte in das Kaminfeuer.
»Diese Lady war deine Mutter«, stieß er nach einer Weile aus. Es war nicht nötig, sie danach zu fragen, denn die Ähnlichkeit war zu frappierend gewesen. »Wo hält sie sich auf?«
Alexandra zuckte mit den Schultern.
»Wer weiß das schon?«
»Du weißt, dass das keine Antwort ist«, schnappte er.
Sie schaute ihn an.
»Nun, es ist eine Antwort, und doch auch nicht.« Alex bemerkte, dass seine Miene sich verdüsterte und dass echter Zorn in seinen Augen aufblitzte. »Niemand kann genau sagen«, erläuterte sie und zuckte wieder mit den Schultern, »welche Rolle meine Mutter gerade spielt.«
»Verstehe«, bemerkte er trocken, »wie die Mutter, so die Tochter.«
»Das hältst du wahrscheinlich für fair. Ist es aber nicht.«
Peregrine atmete tief durch.
»Leg deinen Umhang ab und setz dich«, sagte er etwas sanfter, »ich schenke dir noch einen Cognac ein, und dann machen wir reinen Tisch.«
Er half ihr aus dem Umhang, legte ihn über den Stuhl und füllte ihren Cognacschwenker erneut.
»Setz dich.«
»Nein, ich möchte lieber stehen bleiben.« Trotzdem griff sie nach dem Glas. »Zuletzt hatte ich erfahren, dass meine Mutter mit dem Conte della Minardi durchgebrannt ist. Aber das muss vor ungefähr sechs Jahren gewesen sein, und wer weiß, mit wem sie jetzt unterwegs ist. Meine Mutter verschlingt Männer wie die Schwarze Witwe ihre Gatten.« Sie nippte an ihrem Cognac und spürte, wie ihre Muskeln sich lockerten, wie die Anspannung sich verflüchtigte.
»Ein Italiener ... ist sie nach Italien gegangen?«
»Offenbar ja. Sie pflegt ihre Familie nicht darüber auf dem Laufenden zu halten, was sie gerade tut oder lässt.« Alexandra
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