Sinnliche Maskerade
dir gestern Abend nicht zu viel zugemutet hast.«
»Unbedingt, das bleibt zu hoffen«, stimmte Perry mit zaghaftem Lächeln zu, als sein Freund die Tür schloss.
Mittags, nachdem keine aufdringlichen Bediensteten ihren Schlaf gestört hatten, wachte Alexandra auf. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und fing anschließend an, sich sorgsam in Mistress Hathaway zu verwandeln. Eine Stunde später war sie fertig und verließ ihr Schlafzimmer in Richtung Bibliothek. Sie war hungrig und brauchte einen Kaffee; kaum hatte sie sich hinter ihren Schreibtisch gekauert, läutete sie die Glocke. Weil sie die Dienerschaft nur äußerst selten um etwas bat, blickte der Lakai sie auch erstaunt an.
»Ja, Ma’am?«
»Könnten Sie mir bitte einen Kaffee bringen und etwas Brot mit Käse?«, bat sie mit dem hastigen, nervösen Lächeln, das sie so lange geübt hatte. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen Umstände bereite.«
»Aber nicht doch, Ma’am.« Der Mann verbeugte sich. Es gelang ihm nicht, eine gewisse Überlegenheit in seiner Geste zu verbergen, denn Mistress Hathaway stand im Rang der Bediensteten kaum höher als er selbst.
Was für eine Schande, dass ich niemals die Gelegenheit haben werde, diesen verächtlichen, anmaßenden Dienern zu zeigen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben, dachte Alex. Sie hatte nicht damit gerechnet, wie verdrießlich es sein würde, die kleinen Kränkungen der Haushaltsangestellten im Heim ihrer eigenen Familie erdulden zu müssen - in dem Haus, in dem sie als verwöhnte Tochter aufgewachsen war. Aber das ist im Moment wirklich das geringste Ärgernis, beschwor sie sich ohne innere Überzeugung.
Sie machte sich daran, den Katalog durchzusehen, den sie bisher zusammengestellt hatte; aber einmal mehr fiel es ihr schwer, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Sie ertappte sich dabei, ins Leere zu starren, sich für die unverzeihliche Dummheit zu züchtigen, sich ohne Verkleidung aus dem Schlafzimmer geschlichen zu haben. Welcher Teufel hatte sie nur geritten, solch ein unnötiges Risiko einzugehen?
Und im unerbittlich hellen Licht des Tages betrachtet, war sie gezwungen, die Tatsache zu akzeptieren, dass sie Peregrine unmöglich aus dem Weg gehen konnte, wenn er auf Combe Abbey auftauchte - wie er es beabsichtigte. Man erwartete von ihr, dass sie sich hin und wieder in den Gesellschaftsräumen zeigte. Außerdem konnte sie nicht unendlich lange Zeit im Bett verbringen. Aber selbst wenn er gewillt war, auf Abstand zu bleiben - wie sollte es ihr je möglich sein, die Scharade in seiner Gegenwart aufrechtzuerhalten? Schließlich wusste sie ja, dass er wusste, dass Mistress Hathaway gar nicht existierte. Wie konnte sie in Gegenwart von jemandem, der die Wahrheit kannte, überzeugend auftreten? Keine Sekunde würde vergehen, ohne dass sie sich selbst infrage stellte.
Erschrocken sprang sie auf, als die Tür geöffnet wurde.
»Ah, da sind Sie ja, Mistress Hathaway. Ich darf hoffen, dass Sie sich jetzt besser fühlen.« Sir Stephen betrat die Bibliothek und schlug sich mit der Reitgerte auf die Stiefel.
»Ja, danke, Sir.« Angestrengt lächelte sie ihn an. »Haben Sie Ihren Ausritt nach Durdle Door genossen?«
»Ja, sehr.« Er schlug sich immer noch den Staub von seinen Stiefeln, als er sich auf die Schreibtischkante quetschte. »Ich bin nicht so sehr für Landschaften, aber den Ladys gefällt es.« Er lehnte sich zur Seite und betrachtete das Papier, an dem Alexandra gerade arbeitete. »Mit dem Katalog kommen Sie gut voran, wie ich sehe.«
»Ja«, bestätigte Alex und fragte sich, wohin das führen sollte.
»Nun, gut... gut.« Stirnrunzelnd musterte er seine Stiefel, als würde ihn irgendetwas stören. »Nun, es ist so, dass Lady Maude wie auch ich der Meinung ist, dass diese Bücherangelegenheit langsam beendet werden sollte.«
Alexandra schnaubte unwillkürlich. Noch nie hatte Sir Stephen sie gedrängt. Also musste seine Frau ihn geschickt haben. Und was wiederum wusste Lady Maude darüber, wie schwierig solche Arbeiten waren?
»Die Arbeit, die ich zu verrichten habe, ist beachtlich, Sir Stephen. Zahlreiche Bände müssen einzeln aufgenommen und katalogisiert werden. Und überall müssen Querverweise eingefügt werden. Die mutmaßlichen Käufer haben unterschiedliche Interessen, und wenn viele Bücher auf ganz unterschiedliche Weise klassifiziert werden, sprechen sie auch mehrere Käufer an. Gesunder Wettbewerb kann den Wert nur hochtreiben.«
Mit dem oberen Ende ihrer Schreibfeder
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