Sinnliche Naechte in Paris
Boden.
Das hier war ganz sicher nicht ihr Sofa.
Außerdem trug sie ein übergroßes weißes Männerhemd, dessen Ärmel ihr viel zu lang waren, und das mit Sicherheit Khalil gehörte.
Warum konnte sie sich an nichts erinnern? Das Flugzeug. Der nächtliche Himmel. Ein Kissen unter ihrer Wange, eine weiche Kaschmirdecke, in die sie eingewickelt war, der Arm eines Mannes, der sie an sich drückte. Khalils Lippen in ihrem Haar. Seine Hitze, die sie umgab …
Klopf, klopf, klopf.
Laylas Blick flog zur Tür hinüber, das Herz pochte ihr bis zum Hals, während sie die Bettdecke bis zum Kinn hinaufzog.
„Ja?“
Ihre Stimme zitterte, sie biss sich auf die Lippe und rang um Fassung. Wenn man es mit einem Löwen zu tun hatte, durfte man sich keinesfalls wie eine verschüchterte Maus benehmen.
Nur dass es gar nicht Khalil war, der die Tür öffnete, sondern eine rundliche Frau mittleren Alters, die ein Tablett in den Händen hielt.
„ Bonjour, mademoiselle “, grüßte sie, während sie den Raum betrat. „ Je suis Marianne. Avez-vous bien dormi? “
„Marianne.“ Layla holte tief Luft. „Sprechen Sie Englisch? Parlez-vous anglais? “
„ Non, mademoiselle, je regrette, je ne parle pas anglais. “
Großartig. Die Frau sprach kein Englisch. Layla jedoch kein Französisch. Zumindest reichte ihr Schul-Französisch nicht aus, um ein vernünftiges Gespräch zu führen.
Bleib ruhig, ermahnte sie sich. Konzentriere dich und versuche es noch einmal.
„Können Sie mir wenigstens – est-ce que vous – sagen, ähm, mir sagen, où je suis? “
„Es heißt où suis-je “, schaltete sich eine amüsierte Männerstimme ein, „aber das ist gar nicht mal so schlecht, habiba. Für eine Amerikanerin.“
Khalil stand barfuß im Türrahmen, die Hände lässig in die Taschen einer abgetragenen grauen Jogginghose gesteckt. Dazu trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift HARVARD in Großbuchstaben. Wassertropfen glitzerten in seinem Haar – offensichtlich hatte er gerade erst geduscht – doch er war noch nicht rasiert. Die dunklen Bartschatten wirkten ungemein sexy. Sie hingegen musste ihn mit ungekämmten Haaren und ungewaschenem Gesicht anstarren.
Das Leben war nicht fair.
Ach, zur Hölle, wen kümmerte das schon? Wie sie aussah spielte doch gar keine Rolle.
Es gab viel wichtigere Dinge. Wo, zum Beispiel, befanden sie sich hier? Und – Blut strömte in ihre Wangen – wer hatte sie ausgezogen und ins Bett gesteckt?
„Du möchtest mir sicher einige Fragen stellen, habiba. “
„Eine Menge“, entgegnete sie und bemühte sich, so lässig wie möglich zu klingen.
Er nickte und sagte irgendetwas in rasantem Französisch zu der Haushälterin. Also schön, er sprach drei Sprachen. Na und? Er sah atemberaubend aus. Wieder na und? Meinte er deshalb etwa, das Recht zu besitzen, ihr Leben zu bestimmen?
Vermutlich.
Zumal er sie aus Al Ankhara herausgebracht hatte nach … Paris. War das Paris?
Dumme Frage. Natürlich war das Paris. Sie wusste es, sobald Marianne die Balkontüren öffnete und Layla Pflanzentöpfe, einen runden Tisch, zwei Stühle und einen dunkel schimmernden Fluss erspähte.
Die Haushälterin deckte rasch den Tisch mit den Dingen, die sich auf dem Tablett befanden. Ein Kaffeeservice. Ein mit einem Tuch bedeckter Brötchenkorb. Eine kleine Keramikbutterdose. Besteck, Leinenservietten und eine zierliche Vase mit einer einzelnen Rose.
Paris, absolut, dachte Layla, und aus irgendeinem dummen Grund schien ihr Herz einen Purzelbaum zu schlagen.
Marianne verbeugte sich rasch vor Khalil und warf Layla ein scheues Lächeln zu, so als wäre der Anblick einer Frau im Bett ihres Arbeitgebers ein alltägliches Vorkommnis. Was es sicherlich auch ist, dachte Layla, während Khalil hinter der Haushälterin die Tür schloss und sich dann wieder ihr zuwandte.
„Also gut, stell deine Fragen.“
So überflüssig es auch sein mochte, sie wollte auf Nummer sicher gehen. „Sind wir wirklich in Paris?“
„Ja.“
„Wo in Paris?“
Er hob eine Augenbraue. „Im vierten Arrondissement. Um genau zu sein, in einer Wohnung in einem Gebäude aus dem sechzehnten Jahrhundert auf der Ile de la Cité, mit Blick über die Seine. Brauchst du auch noch den Namen der Straße und die Hausnummer, oder reicht das?“
„Findest du das etwa amüsant? Dass ich wie ein Sack Wäsche von einem Ort zum nächsten geschleppt werde?“
Sein Blick glitt über sie hinweg. „Du siehst nicht wie ein Sack Wäsche aus“, entgegnete er sanft.
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