Sinnliche Traeume auf Kyrene
an der Wand lehnte.
Plötzlich brach sie in Tränen aus, schlug die Hände vors Gesicht und rannte aus dem Atelier.
John Yates warf Diana einen flehenden, um Entschuldigung bittenden Blick zu. „Es ist wegen ihres verletzten Stolzes. Sie liebt diesen aufgeblasenen Burschen doch gar nicht. Ich werde versuchen, sie zu trösten, Miss Sheridan. Sie soll einsehen, dass Sie und Thorne nur ihr Bestes wollten. Wenn sie ein wenig ruhiger ist, wird sie mir vielleicht zuhören. “
Mit einer kurzen Verbeugung verabschiedete er sich und eilte hinter Amy her.
Unwillkürlich machte Diana einen Schritt, als wollte auch sie ihrer Cousine folgen, aber Thorne hielt sie zurück.
„Ich denke, wir sollten abwarten, bis der Sturm sich in ein paar Tagen gelegt hat. Yates hat recht. Amy braucht Zeit, um zur Besinnung zu kommen.“
„Hoffentlich hast du recht“, meinte Diana zweifelnd und presste die Hand an ihre pochende Schläfe. „Aber für Amy wäre es weniger schmerzlich gewesen, wenn sie nie von Kitty erfahren hätte. Ich wünschte, ich hätte ihr das ersparen können.“ Ihre eigenen Worte gaben Diana einen Stich. Wieder fühlte sie sich schuldig. Seit sie vor drei Wochen in ihr Haus gezogen war, hatte sie ihre Cousine kaum noch gesehen. Sie hatte Amy bewusst vernachlässigt, weil sie dachte, es wäre für das Mädchen besser so. Wenn sie aber an diesem Morgen bei Amy gewesen wäre, hätte sie das Zusammentreffen mit Kitty verhindern können.
Thome ging zu Diana, nahm sie bei den Händen und küsste sie fest auf den Mund. „Hör auf, dir Sorgen zu machen. Amy wird darüber hinwegkommen. Und Yates wird sie schon zur Vernunft bringen.“
Diana war sich da nicht so sicher und schüttelte den Kopf. Erst nach einer Weile wurde ihr Thornes letzter Satz bewusst.
Sie sah ihn verwundert an. „Seit wann ist Yates denn so in Amys Achtung gestiegen? Sie hat ihn doch immer ganz abscheulich behandelt.“
„Seit sie sich entschlossen hat, ihn zu benutzen, um ihren verletzten Stolz zu heilen. Während der letzten Wochen hat Yates sie häufig besucht. Ich habe den Verdacht, dass er die Gelegenheit ergreift, um ihr den Hof zu machen.“
„Ihr den Hof machen?“, fragte Diana verblüfft.
Thome grinste sie spöttisch an. „Ich weiß. Die Wege junger Liebe sind oft rätselhaft.“
17. KAPITEL
Schon am nächsten Abend konnte Diana an einem weiteren Beispiel sehen, wie unbegreiflich die Wege der Liebe sein können, als sie nämlich mit Thorne das Drury Lane Theatre besuchte. Genau in der Loge gegenüber saß, begleitet von seiner rundlichen, steifnackigen Gemahlin, kein anderer als Francis, Lord Ackland.
Einen kurzen Augenblick lang weckten Francis’ attraktive Züge und seine hellen, schimmernden Locken bittere Erinnerungen in Diana. Aber es gelang ihr, sie zu verdrängen und ihre Aufmerksamkeit auf die anderen Adligen und Mitglieder der Oberschicht in der fein aufgeputzten Menge zu richten. Seitdem sie damals bei Amys Debütantinnenball Francis wiedergetroffen hatte, war ihr so einiges an Klatsch und Tratsch über dessen Heirat zu Ohren gekommen. Das Bemerkenswerteste war, dass er vier Kinder gezeugt hatte und dass seine Frau ihn an der kurzen Leine hielt.
Außerdem gab es keine Zweifel daran, dass Lady Ackland Diana nicht schätzte.
Deswegen überraschte es Diana, als Francis sie während der ersten Pause aufsuchte. Thorne war gegangen, um Freunde zu sprechen und Diana eine Erfrischung zu holen. Er hatte kaum die Loge verlassen, als Francis eintrat. Wie es schien, hatte er nur darauf gewartet, sie allein anzutreffen. Er beugte sich über ihre Hand, und als Diana ihn nicht aufforderte, sich zu setzen, blieb er stehen und schaute wehmütig auf sie hinunter.
Diana zwang sich zu einem höflichen Lächeln. Sie war sich sehr wohl der zahllosen Augen bewusst, die sie in diesem Moment beobachteten, und wusste, dass die Menge sich auf eine pikante Sensation freute.
„Lord Ackland“, sagte sie, als sie endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte, „was führt Sie hierher?“
„Ich wollte Ihnen zu Ihrem Erfolg gratulieren, Diana. Ich sah Ihre Werke in der Ausstellung. Sie sind ganz ausgezeichnet. Aber ich wusste ja immer schon, dass Sie es weit bringen würden. Es muss schön für Sie sein, dass Sie nun die Karriere machen, von der Sie immer geträumt haben.“
„Ich hatte außerordentliches Glück“, erwiderte sie.
„Ich male nicht mehr.“ Francis machte ein trauriges Gesicht. „Meine Frau findet, dass es unter der Würde
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