Sinnliche Traeume auf Kyrene
darauf achten, dass Diana anständige Tanzpartner bekommt, genauso wie ich es bei Amy und Cecily tue.“
Thome verzog das Gesicht und machte sich auf, seine Pflicht zu erfüllen.
Der Rest des Abends verlief angenehm. Es fehlte Diana nie an ehrbaren Tanzpartnern, und sie hatte den Eindruck, dass der Freundeskreis der Countess und einige Damen, die eher in Dianas Alter waren, sie willkommen hießen. Alle äußerten Erstaunen und Bewunderung darüber, dass es Diana gelungen war, den berüchtigten Lord Thorne einzufangen.
Noch mehr Vergnügen machte es Diana aber,Thorne zu beobachten. Er tanzte nicht nur mit den Mauerblümchen, sondern er zeigte auch demonstrativ, wie viel Spaß es ihm zu machen schien. Diana vermutete, dass er damit die jungen Damen auch für andere Tänzer attraktiver zu machen versuchte. Wenn das seine Absicht war, so hatte er vollen Erfolg.
Seine Taktik war bei jeder jungen Dame dieselbe: Er setzte sein charmantestes Lächeln auf und widmete seiner Partnerin seine ganze Aufmerksamkeit. Wenn sie etwas sagte, neigte er sich ihr zu und schien entzückt an ihren Lippen zu hängen. Das Ergebnis war immer dasselbe: Das von Thornes Charme hingerissene junge Mädchen plauderte am Ende des Tanzes glücklich mit ihm, und sein lebhaftes, vor Aufregung gerötetes Gesicht war mit einem Mal fast hübsch. So kam es, dass, wenn Thorne die Kleine wieder an ihren Tisch zurückbrachte, sofort mehrere andere Herren herbeieilten, um sie um einen Tanz zu bitten.
Diana schüttelte innerlich den Kopf über dieses Phänomen. Die Tatsache, dass ein Mann wie Viscount Thorne sie zum Tanz auserwählt hatte, würde praktisch dafür sorgen, dass diese jungen Damen von der Gesellschaft akzeptiert würden. Doch sie war auch gerührt von Thornes Liebenswürdigkeit, und es wurde ihr warm ums Herz, während sie ihn beobachtete.
„Mein Neffe“, murmelte Lady Hennessy neben ihr, „mag ja ein unwürdiger Taugenichts sein, aber gelegentlich überrascht er mich doch. Vielleicht wird er eines Tages doch noch ein großartiger Ehemann.“
Mit einem Mal erkannte Diana, dass Thornes Tante die ganze Zeit sie beobachtet hatte, wie sie ihn beobachtete. Sie merkte, dass sie rot wurde. Sicher könnte Thorne irgendeiner glücklichen Frau ein guter Ehemann sein ... nur leider schien für ihn die Ehe noch schlimmer zu sein als der Tod.
Einen Augenblick lang spürte sie so etwas wie heftiges Bedauern darüber, dass ihre Verlobung niemals Wirklichkeit werden würde. Doch dann rief sie sich unbarmherzig zur Raison.
Sie würde sich nicht länger erlauben, über Thornes existierende oder nicht existierende Tugenden nachzudenken. Eigentlich wollte sie überhaupt nicht mehr an ihn denken, außer wenn es darum ging, Venus zu malen.
Und das war alles, was ihr wichtig war, redete Diana sich ein und verdrängte die heimliche Erkenntnis, dass sie schon wieder dabei war, sich etwas vorzumachen.
10. KAPITEL
Als Diana einige Tage später Venus im Salon ihrer Wohnung empfing, war ihre erste Reaktion auf diese Frau ein Gefühl der Bewunderung. Mit ihrem flammend roten Haar und ihrer hohen Gestalt war Madame nicht nur eine Schönheit, sondern auch eine äußerst beeindruckende Persönlichkeit. Auch war sie unerwartet jung, wahrscheinlich nicht älter als dreißig.
Nach dem Austausch einiger Höflichkeiten ließ Madame sich gnädig in einem Sessel nieder und richtete kühl ihre grünen Augen auf Diana. „Ich bin geschmeichelt, dass Sie mich gebeten haben, Ihnen Modell zu sitzen, Miss Sheridan“, sagte sie mit leiser, rauchiger Stimme. Sie hatte einen kleinen, eleganten Akzent. „Aber ich muss gestehen, es erstaunt mich, dass Sie mich gewählt haben.“
„Ich hörte von Ihrer bemerkenswerten Schönheit“, log Diana. „Und da ich Sie nun vor mir sehe, stelle ich fest, dass
Sie die Richtige für mein Vorhaben sind. Sie sind genau die Art Modell, die der berühmte venezianische Maler Tizian bevorzugte. Der British Academy wird solch ein außergewöhnliches Bild bestimmt auffallen.“
„Ich wundere mich, dass Lord Thorne es billigt, wenn Sie sich mit einer Frau meines Berufs treffen.“
Diana lächelte. „Glücklicherweise benötige ich Lord Thornes Billigung nicht. Ich wusste genau, was ich tat, als ich seinen Antrag annahm. Er hat mir in Bezug auf meine künstlerische Tätigkeit nichts vorzuschreiben. So wie ich ihm keine Vorschriften zu machen habe, ganz gleich, welchen Neigungen er gerade nachgeht.“
„Ein überaus freizügiges Abkommen“,
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