Sinnlicher Maskenball in Venedig
er gegen die Lehne seines Stuhls und fuhr sich durchs Haar.
Selbst nach seinem Tod schaffte Alessio Gavretti es noch, ihn zu verärgern. Er hatte jahrelang versucht, den Mann zu beeindrucken, der sich von nichts beeindrucken ließ. Es sei denn, es trug einen kurzen Rock und hatte große Brüste. Sein Vater war ihm gegenüber sein Leben lang gleichgültig und kühl gewesen.
Nichts, was er tat, schien seinen Vater auch nur im Geringsten zu interessieren. Immerhin war er einige Male zu seinen Rennen gekommen. Das war aber auch schon alles gewesen. Damals hatte er gehofft, seinen Vater überreden zu können, dass er in Renzos Prototyp investierte. Aber dieser hatte nichts davon hören wollen.
„Warum soll ich in das Unternehmen eines anderen Mannes investieren, wenn du in der Lage wärst, dein eigenes zu gründen, Niccolo? Wenn du die Motorräder selbst baust, bin ich gern bereit, dich zu unterstützen. Aber bitte mich nicht um Geld für jemand anderen.“
Nico runzelte die Stirn, als er sich daran erinnerte. Es war ein Schlüsselmoment in seinem Leben gewesen, auch wenn es ihm damals noch nicht bewusst gewesen war. Er hatte also sein eigenes Unternehmen aufgebaut. Und dadurch hatte er den einzigen Freund verloren, den er je gehabt hatte. Es tat ihm immer noch weh. Und die Frau in seinem Gästezimmer war schuld daran, dass heute Nacht wieder alte Schuldgefühle hochkamen.
Seufzend stand Nico auf und schlenderte durch das dunkle Zimmer hinaus auf den Balkon. Es war ganz still draußen, und der Duft von Bougainvilleen und Lavendel lag in der Luft. Weit unter ihm glitzerte das Wasser des Sees im Mondlicht.
Nico genoss die friedliche Stimmung. Gleichzeitig machte es ihn nervös. Wenn er nicht aufpasste, würde er das alles hier verlieren. Alessio Gavretti hatte sein Geld mit beiden Händen ausgegeben. Ebenso seine Frau.
Seine Eltern hatten sich vor vielen Jahren getrennt. Seitdem hatte sein Vater Unmengen an Geld für Frauen ausgegeben, während seine Mutter es in Kleidung, Schmuck und Häuser gesteckt hatte. Über die Jahre hatten sie es geschafft, sich hoch zu verschulden.
Und nun tat er, Nico, alles, damit die Welt nicht erfuhr, was tatsächlich bei den Gavrettis los war. Er hätte fast gelacht. Da drohte er Tina, ihren Bruder zu ruinieren, wenn sie ihn nicht heiratete. Dabei stand er selbst kurz vor dem Ruin. Renzo D’Angeli würde Gavretti Manufacturing sofort aufkaufen, wenn er davon erfuhr. Und dann würde er, Nico, das Unternehmen für einen lächerlichen Betrag abstoßen.
Und er könnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Er würde wahrscheinlich das Gleiche tun.
Nachdenklich lehnte er sich auf die Brüstung und betrachtete die vereinzelten Lichter am Seeufer. Er musste dafür sorgen, dass nicht herauskam, wie es um ihn stand. Und er würde Tina dazu bringen, ihn zu heiraten. Sonst hätte er kein Recht auf sein Kind. Vor allem, wenn sie ihn nicht offiziell als Vater anerkannte.
Warum war das eigentlich so wichtig?
Er hatte eigentlich nie eine Familie gewollt. Sein Leben gefiel ihm, wie es war. Wenn er Tina gehen ließ, konnte er sich in Ruhe um den Nachlass kümmern und sich irgendwann eine vernünftige Frau suchen.
Nico stieß einen verächtlichen Laut aus. Was verstand er darunter? Seine Mutter war eine vernünftige Frau gewesen. Zumindest war sie von der Familie seines Vaters ausgesucht worden. Und was war aus den beiden geworden? Zwei verbitterte, egoistische Individuen, die zusammen ein Kind bekommen hatten, das sie gar nicht gewollt hatten.
Sofort spürte er die vertraute Wut über seine einsame Kindheit in sich hochsteigen. Oh ja, finanziell hatte es ihm nie an etwas gemangelt. Er hatte sich alles kaufen können, was er nur wollte. Aber eine Sache gab es für kein Geld der Welt: Liebe.
Vielleicht hatte er sich deswegen bei den D’Angelis immer so wohlgefühlt. Ihr Haus war immer voller Lachen und Wärme gewesen.
Er warf einen kurzen Blick auf die Balkontür, die in Tinas Zimmer führte. Sie war geschlossen. Die Vorhänge waren zugezogen. Allerdings drang ein leichter Lichtschimmer hindurch. Vielleicht sah Tina noch fern.
Der Gedanke an sie erfüllte ihn mit Sehnsucht. Am liebsten würde er jetzt zu ihr gehen, sie in die Arme ziehen und sich in ihr verlieren. Er wusste, es war der Stress der letzten Wochen, der ihn schwach machte. Dennoch war sein Verlangen nach ihr kaum zu ignorieren.
Wenn sie jetzt noch in Rom wären, würde er einfach für einige Stunden in einen Club gehen oder eine
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