Sinnliches Erwachen
beide.“
„Ich werde mit jedem Tag stärker, und genauso könnte es dir gehen. Ich meine,wir stehen auf der Gewinnerseite. Wir haben Krieger, die für uns kämpfen. Wir haben die Macht und den Schutz des Höchsten.“
„Das sagst du, aber …“ Laila rieb sich übers Gesicht. „Was, wenn Er nächstes Mal nicht reagiert?“
„Das wird Er.“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“
„Ich weiß es einfach, ganz tief drinnen.“ Irgendwie gelang es Nicola, ihre Schwester ins Bett zu bugsieren und sie zuzudecken. „Wenn du nichts mit mir unternehmen willst, dann ruh dich wenigstens aus. Ich will, dass du deinem Kopf mal eine Pause gönnst. Und wenn du unbedingt über irgendwas nachdenken willst, dann über das, was ich gesagt habe. Es ist die Wahrheit.“
„Okay.“
„Versprochen?“
„Versprochen.“ Laila schloss die Augen, und behutsam streichelte Nicola ihr die Wange, wie ihre Mutter es immer gemacht hatte. Anfangs war der Gesichtsausdruck ihrer Schwester noch verspannt, ihr Körper unruhig. Doch als die Minuten verstrichen, kam sie langsam zur Ruhe. Als ihr Atem schließlich gleichmäßig ging, stand Nicola auf und ging in ihr eigenes Zimmer.
Sie duschte sich und zog ein pinkfarbenes T-Shirt und eine Jeans an, um für Koldos Rückkehr so hübsch wie möglich auszusehen – und ihm ein paar Kleider zu geben, die er ihr vom Leib reißen konnte. Doch sie wartete … und wartete … und er tauchte einfach nicht auf.
Nach einer Weile lockten sie die Sonnenstrahlen, die durch ihr Fenster strömten, in den Garten. Die Luft war angenehm warm und duftete nach Wildblumen, Zitrusfrüchten und Piniennadeln. Genießerisch atmete sie tief ein.
Rums. Rums.
Eine gedämpfte Frauenstimme ertönte. Stirnrunzelnd lief Nicola zu dem kleinen Schuppen, den Koldo und Axel gebaut hatten. Es gab keine Fenster, und eine Tür konnte sie auch nicht entdecken.
„Hilfe. Bitte.“
Da war die Stimme wieder, jetzt deutlicher – unverkennbar kam sie aus der Hütte. Ihr Klang war … rein. Stark. Genug, um Nicola einen Schauer über den Rücken zu jagen. Es war eine Reinheit, die sie wiedererkannte, denn auch Axel und der Mann namens Zacharel besaßen sie.
War diese Frau eine Gesandte? Die Geliebte, von der Nicola sich so sicher gewesen war, dass Koldo sie nicht hatte?
„Wer ist da?“, fragte sie und tastete die Wände nach irgendeinem Spalt ab.
„Hilf mir. Bitte! Lass mich raus.“
Warum hatte Koldo die Frau in diese Hütte gesperrt? Er war kein grausamer Mann. Oder?
Nicola hielt inne, wild wirbelten ihre Gedanken durcheinander. Er war ein Mann, der ihr nie wehgetan hatte – der sogar den Mann zusammengeschlagen hatte, der es gewagt hatte. Er war ein Mann, den es schier hatte verzweifeln lassen, dass er möglicherweise nicht in der Lage war, sie zu beschützen. Er war ein Mann, in dessen Armen sie sich sicher fühlte.
Er war ein Mann, dem sie vertraute.
Doch die Frau kannte sie weder, noch vertraute sie ihr.
„Wie ist dein Name?“, fragte sie.
Wieder ignorierte die Frau ihre Frage und flehte: „Lass mich einfach raus. Okay? Ja?“
Die Verzweiflung war gerechtfertigt. Das Ausweichmanöver nicht. War siewomöglich eine Serienmörderin? Oder arbeitete sie mit den Dämonen zusammen?
„Lass mich raus!“ Fäuste hämmerten gegen die Wand. „Sofort!“
Nicola kaute auf ihrer Unterlippe herum … und wich zurück.
28. KAPITEL
Koldo sah zu, wie Zacharel am Rand von Germanus’ Wolke landete – nein, jetzt gehörte sie Clerici. Goldene Flügel falteten sich auf den Rücken des Kriegers, und ein unerwarteter Stich der Eifersucht traf Koldo – wie jedes Mal. Er musste aufhören, so zu empfinden, und doch … Wie anders alles hätte sein können. Er gehörte nicht zu jenen, die glaubten, alles geschähe aus einem bestimmten Grund. Schlimme Dinge passierten, weil alle Wesen einen freien Willen besaßen.
Natürlich glaubte er durchaus daran, dass sich etwas Schlimmes für den Betroffenen in etwas Gutes verkehren ließ. Doch der Verlust seiner Flügel? Er konnte sich nicht vorstellen, wie daraus jemals etwas Gutes erwachsen sollte.
Und der Verlust seiner Teleportationskräfte? Nein. Auch daraus wäre niemals etwas Gutes entstanden. Wie hätte er sich fortbewegen sollen? Wie hätte er überleben sollen? Es erfüllte ihn mit Dankbarkeit, dass er geheilt war.
Entweder hatte Sirenas Gift von allein seine Wirkung verloren, oder seine Freude über Nicolas Nähe hatte ihm geholfen, es zu besiegen. Vermutlich
Weitere Kostenlose Bücher