Sinnliches Erwachen
bevor er sich schließlich die Kleider vom Leib riss und dabei in seiner Hast den Stoff zerfetzte. Achtlos auf den Boden geworfen, glitten Oberteil und Hose ohne äußere Einwirkung aufeinander zu und verschmolzen von zerrissenen Lumpen zu einem perfekten Gewand. Kühl trafen Wassertropfen auf seine nackte Haut, als er gedankenversunken nach draußen auf den turbulenten Wasserfall blickte.
Diese Frau …
Hart schlug er gegen die Wand. Staub und Gesteinsbröckchen rieselten durch die Luft. Jedes Mal degradierte sie ihn, machte ihn zu einem Mann, der sich fühlte, als hätte man ihm das Herz aus der Brust geschnitten, darauf herumgetrampelt, es in Stücke gehäckselt, durch die Gegend gekickt und zu Asche verbrannt. Er musste einfach die Oberhand gewinnen.
Sonst würde er sie irgendwann umbringen.
Wenn Cornelia ihren letzten Atemzug tat, würde ihr Geist ihren Körper verlassen. Doch nicht, um aufzusteigen und den Rest der Ewigkeit mit dem Höchsten im obersten Himmelreich zu verbringen. Das könnte sie nicht. Wenn sie mit flammendem Hass im Herzen starb, ginge es für sie abwärts, tief, tiefer, bodenlos. Das war ein spirituelles Gesetz, das niemand – nicht einmal eine Himmelsgesandte – umgehen konnte.
Teuflische Dinge konnten nicht Seite an Seite mit göttlichen Dingen existieren.
Und das war der Hauptgrund, aus dem sich auch Koldo in so großer Gefahr befand.
Cornelia hatte ein solches Schicksal verdient, ja. Sie verdiente, bis in alle Ewigkeit zu leiden. Aber es würde nicht er sein, der sie in ein frühes Grab sandte. Er war nicht wie sie – und wenn er sich das jeden Tag in Erinnerung rufen müsste. Doch das war nicht der einzige Grund. Er wollte … etwas, das er nie bekommen würde. Antworten. Ihre Liebe.
Absolution.
Er knirschte mit den Zähnen. Nein, er war nicht wie sie – und er sehnte sich auch nicht länger nach diesen Dingen. Jetzt war alles, wonach er dürstete, eine Kostprobe seiner Rache.
In diesem Moment traf ihn ein Gedanke, und er hielt inne. Auf keinen Fall konnte jemand wie er einer so zerbrechlichen Frau wie Nicola helfen, oder?
Ich hätte mich von ihr fernhalten sollen, begriff er. Doch das hatte er nicht, und jetzt war es zu spät. Er hatte sich vor ihren Augen fortteleportiert, um ihr zu beweisen, dass es das Übernatürliche gab. In der Hoffnung, dass sie es dann akzeptieren müsste und den ersten Schritt im Kampf gegen die Dämonen machen würde. Jetzt wusste sie es.
Jetzt würde sie Fragen stellen.
Und wenn sie die den falschen Leuten stellte, würden die ihr die falschen Antworten geben.
Hilflos rieb er sich mit der Hand über die glatte Kopfhaut. Er würde sich an seinen Plan halten müssen.
Und so schlimm ist das gar nicht, redete er sich ein. Nicola faszinierte ihn. Ihre Stimme, so sanft, so lieblich … so süchtig machend. Eine Liebkosung, nach der sich seine Ohren schon jetzt wieder sehnten. Ihre Schlagfertigkeit. Ihre Widerstandsfähigkeit. Ihre Tapferkeit. Er hatte sie angefahren, und trotzdem war sie nicht schluchzend zusammengebrochen, um ihn um Gnade anzuflehen.
Während ihrer wahrhaft kurzen Zeit auf Erden hatte ein Unglück nach demanderen sie getroffen. Vielleicht waren die Dämonen dafür verantwortlich, vielleicht auch schlicht die niemals perfekte Welt. Oder beides. Was auch immer dahintersteckte, er wollte etwas Besseres für sie. Die Art von besser, wie er sie an der Seite von Germanus gefunden hatte.
Koldo musste ihr einfach beibringen, wie man gegen das Gift der Dämonen ankämpfte. Und gleichzeitig musste er dafür sorgen, dass sie ruhig blieb. Angst würde die Hinterlassenschaften des Paura stärken, und Anspannung würde ihr Immunsystem schwächen und damit dem Gift des Grzech in die Hände spielen. Ohne Angst und Anspannung würden die Gifte sich langsam abbauen. Mithilfe von Hoffnung und Freude noch wesentlich schneller.
Kurz gesagt: Was man fütterte, wuchs und gedieh, und was man aushungerte, verdorrte.
Wäre sie in der Lage, über ihre negativen Gefühle hinwegzukommen und den Silberstreif am Horizont zu sehen?
In seiner Brust entzündete sich ein Hoffnungsfunke, der auf wundersame Weise den ätzenden Strom der Dunkelheit überstrahlte, den seine Mutter ausgelöst hatte. Trotz allem konnte er es kaum erwarten, Nicola wiederzusehen und zu erfahren, welche Schlussfolgerungen sie aus seinem Verschwinden gezogen hatte. Ob sie sich eingeredet hatte, sie hätte sich ihn nur eingebildet, oder ob sie akzeptiert hatte, dass er kein Mensch
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