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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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Stück Fleisch mit einer verkohlten äußeren Kruste.
    »Was führt eine Archäologin nach Rumänien? Gibt es etwas, das Birgul Schmitzig noch nicht weiß? Schätze aus Tausend-und-eine-Nacht, die bis gestern in einem Keller versteckt waren? Oder lockt Sie das Schwarze Meer? Erzählen Sie, meine Liebe. Niemand schätzt Ihre Wissenschaft mehr als ich.«
    »Wieso Schwarzes Meer?«, frage ich.
    »Erst vor wenigen Tagen«, erklärt Birgul, »habe ich mit meinem Freund Bob telefoniert. Das ist der, der die Titanic geborgen hat. Jetzt leitet er eine Expedition im Schwarzen Meer. Er sucht nach einer Steinzeitsiedlung.«
    Noch jemand, der sich für die Steinzeit interessiert. Und sogar danach taucht. In einem U-Boot. Irgendwie habe ich das Gefühl, das alles mit allem zusammenhängt. Aber wie? Und was antworte ich auf Birguls Frage? Die Hausfrau in mir ergreift das Wort: »Jetzt essen Sie mal. Ihr Steak wird sonst noch kalt.«
    »Das macht nichts. Es war bereits kalt, als es serviert wurde. Ich würde es zurückgehen lassen, aber wenn es dann wiederkommt, ist es von einer Schuhsohle nicht mehr zu unterscheiden. Also wähle ich das kleinere Übel.«
    Ich überlasse ihn seinem Steak und esse ebenfalls. Dann will ich wissen, wie um alles in der Welt eine Steinzeitsiedlung ins Schwarze Meer gekommen sein soll.
    Er wischt sich den Mund ab und wirft seine Papierserviette in die Blutlache, die auf seinem Teller zurückgeblieben ist. Während er antwortet, färbt sie sich langsam rosa. »Es gibt eine neue Theorie, nach der die Sintflut sich am Schwarzen Meer abgespielt hat. Vor etwa 8000 Jahren war es ein Süßwassersee, nur durch den Bosporus vom Mittelmeer getrennt. Dessen Wasserspiegel stieg nach der letzten Eiszeit immer mehr an, weil die Gletscher schmolzen und es viel regnete. Schließlich lief das Mittelmeer über, schwappte sozusagen über den Rand des Bosporus. Auf der Schwarzmeerseite stürzte es hundert Meter in die Tiefe, der neue Wasserfall soll kilometerweit zu hören gewesen sein.«
    Warum hat Paula das nie erwähnt? Eine Unterwasser-Steinzeitsiedlung, das müsste ihr doch gefallen. Ich muss an die Fotos aus der Titanic denken, die vor einiger Zeit durch die Presse gingen. An die Gewächse, die winkend an Kronleuchtern baumeln. An die Fische, die zwischen Tischen und Schrankkoffern herumschwimmen.
    »Treffen Sie sich mit Ihrem Freund in Konstanza?«
    »Wenn es sich ergibt, aber verabredet sind wir nicht. Er hat noch nichts gefunden. Bis jetzt haben sie Muscheln hochgebracht. Die ersten hundert Meter Salzwassermuscheln, danach nur solche, die im Süßwasser vorkommen. Das hat sie von der neuen Theorie überzeugt und sie werden weitersuchen.«
    »Und wenn da unten wirklich etwas ist, was haben Sie als Händler davon?«
    »Sie meinen geschäftlich? Ausnahmsweise rein gar nichts. Es interessiert mich einfach. Bob ist aber leider nicht der Einzige, der sucht. Was los ist, sobald der Erste was findet, können Sie sich denken. Dann käme das Geschäftliche doch wieder ins Spiel.«
    »Angenommen«, frage ich weiter, »jemand findet tatsächlich Überreste einer versunkenen Ortschaft. Das kann er doch unmöglich für sich behalten?«
    »Mein Freund Bob«, sagt Birgul ernst, »spielt mit offenen Karten. Er würde sofort an die Öffentlichkeit gehen, die Fundstelle müsste abgeriegelt werden, was unter Wasser nicht einfach ist. Andere Schatzsucher sind weniger ehrlich. Sie schweigen, so lange es nur geht.« Birgul macht eine Pause. »Stellen Sie sich einfach vor, Sie kämen mit einem Korb voller Steinpilze aus dem Wald. Jeder, der Ihnen damit begegnet, bewundert Sie und träumt davon, auch so eine Stelle zu kennen. Jeder fragt: ›Wo haben Sie die schönen Pilze her?‹, aber niemand erwartet eine richtige Antwort, weil er sie selbst auch nicht geben würde.«
    Ich lasse das auf mich wirken und hänge meinen Gedanken nach, während Birgul sich kurz entschuldigt. Wie leichtfüßig er trotz seiner Pfunde den Gang hinunter geht. Wieder knarrt keine einzige Diele.
    Manchmal scheint die Welt aus einem einzigen Thema zu bestehen. Man schlägt die Zeitung auf, schon liest man eine passende Meldung. Man schaltet den Fernseher ein, schon ist es in den Nachrichten. Man fährt in eine fremde Stadt und begegnet einem Mann, der sich für die Steinzeit interessiert. Das ist doch kurios. Meine Gedanken schweifen Richtung Paula ab. Was macht sie gerade? Geht es ihr gut?
    Über den Boden huscht eine Kakerlake. Es ist schon lange dunkel draußen,

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