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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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ausführen. – Pan Harasimowicz, gehen Sie jetzt mit Gott, Sie sind hier nicht mehr vonnöten.«
    Harasimowicz verbeugte sich tief und entfernte sich.
    Der Fürst trat vor den Spiegel und betrachtete sich aufmerksam. Er achtete nicht auf Kmicic, der mit dem Rücken zum Fenster gekehrt, im Schatten des Zimmers saß. Ein einziger Blick auf das Gesicht Pan Andreas' hätte genügt, um zu bemerken, daß in dem jungen Ritter etwas Eigentümliches vorging.
    Kmicic' Gesicht war bleich, große Schweißtropfen standen auf seiner Stirn; seine Hände zitterten krampfhaft. Er erhob sich vom Sessel und ließ sich dann wieder nieder, wie ein Mensch, der mit sich selbst kämpft, um den Ausbruch seines Zornes oder seiner Verzweiflung zu unterdrücken. Endlich gelang es ihm, unter Aufbietung all seiner Kraft und Energie wieder Herr seiner selbst zu werden.
    »Euer Durchlaucht,« sagte er, »sehen selbst, ich mache kein Hehl aus dem Vertrauen, mit dem mich Ihr Herr Vetter beehrt. Ich gehöre zu ihm mit meiner ganzen Seele, mit meinem Leibe und Hab und Gut. – Ich bin zu allem bereit. Aber, obgleich ich sozusagen am Ausgangspunkte all dieser Pläne stehe, und alle Fäden sich vor meinen Augen ausspinnen, so bleibt doch vieles rätselhaft für mich, was ich mir mit meinem schwachen Verstande nicht erklären kann.«
    »Was wünschen Sie denn, Pan Kavalier?« fragte der Fürst.
    »Ich bitte Euer Durchlaucht, mich zu belehren; ich würde mich schämen, wenn ich aus dem Umgange mit einem so großen Staatsmanne nichts lernen würde. Ich weiß nicht, ob Euer Durchlaucht gewillt sind, mir aufrichtig zu antworten?«
    »Das hängt von Eurer Frage und meiner Laune ab,« erwiderte der Fürst, ohne vom Spiegel fortzutreten.
    Kmicic' Augen blitzten auf, aber seine Stimme blieb wie vordem ruhig. »Es handelt sich darum: der Fürst-Wojewod von Wilna behauptet, daß alle seine Handlungen nur das Ziel haben, die Republik zu retten. Das Wort Republik geht fortwährend über seine Lippen. Können Sie mir nicht ehrlich sagen, ob das nur zum Scheine geschieht, oder ob der Fürst-Hetman wirklich die Interessen der Republik im Auge hat?«
    Boguslaw warf einen flüchtigen Blick auf Pan Andreas.
    »Und wenn ich Ihnen nun sagte, daß das alles nur eine Maske ist, würden Sie uns dann weiter beistehen?«
    Kmicic zuckte verächtlich mit den Achseln.
    »Ich sagte Ihnen ja schon, daß ich durch Sie viel zu gewinnen hoffe. – Das ist die Hauptsache für mich. Das andere mag sein, wie es will. Mir ist alles gleich.«
    »Sie werden es weit bringen. Vergessen Sie nicht, daß ich es bin, der Ihnen das sagt. – Aber warum spricht der Hetman nicht offen mit Ihnen?«
    »Vielleicht ist er mißtrauisch, vielleicht aber auch fehlte es ihm an der passenden Gelegenheit.«
    »Sie sind ein guter Beobachter, Der Fürst ist wirklich sehr mißtrauisch und rückt nie gern mit der Wahrheit heraus. Bei Gott! Sogar, wenn er mit mir spricht, kommt es vor, daß er sich vergißt und sich mit dem Mantel der Vaterlandsliebe behängt. Erst, wenn ich ihm dann laut ins Gesicht lache, kommt er wieder zur Besinnung. Das ist wirklich wahr.«
    »Sie meinen also, das alles wäre nur Schein?« fragte Kmicic wieder.
    »Hören Sie, Pan Kmicic! Wenn wir Radziwills in Frankreich, Spanien oder Schweden lebten, wo die Königswürde erblich und von Gottes Gnaden ist, so würden wir dem Könige und dem Vaterlande treu dienen und uns mit den höheren Staatsstellungen, die uns kraft unseres Reichtums und unserer Herkunft zukommen, begnügen. Aber hier in diesem Lande, wo der König kein göttliches Recht für sich beansprucht, sondern von der Schlachta gewählt wird, stellen wir uns die Frage: Warum kann nicht ebenso gut wie ein Wasa auch ein Radziwill herrschen? Wer garantiert uns denn, daß die Laune der Schlachta uns nicht gelegentlich einen Harasimowicz auf den Thron setzt? Nein, das muß anders werden! Sehen Sie mal nach Deutschland: Wieviel Herrscher gibt es da? Ihr Besitztum ist oft nicht größer als das eines Unter-Starosten bei uns. Aber jeder hat sein angestammtes Ländchen, trägt auf dem Kopfe eine Krone und nimmt im deutschen Bunde eine hohe Stellung ein, obgleich sie sehr gut die Schleppen unserer Mäntel tragen könnten. – Das muß auch hier anders werden!«
    Der Fürst wurde lebhafter, erhob sich vom Sessel und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Ohne Schwierigkeiten wird sich freilich die Sache nicht arrangieren lassen. Jetzt aber ist die Zeit günstig dazu. Die Republik liegt in der

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