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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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»doch halt, wartet, ich setze mich lieber selbst!«
    Die Soldaten brachten den Gaul zu Pan Andreas, dieser sprang in den Sattel und ritt vor dem Tore entlang. Unter der erfahrenen Leitung des Reiters erschien das Pferd doppelt so schön. Pan Kmicic beschrieb Kreise, wechselte mehrfach die Gangart und ritt schließlich so nahe zu dem Fürsten heran, daß der Kopf des Tieres nur einen Meter von dessen Gesicht entfernt war. Dann rief er:
    »Halt!«
    Der Gaul lieh sich auf allen Vieren nieder und blieb wie angewurzelt stehen.
    »Nun? Was?« fragte Kmicic.
    »Wirklich, wie die Dichter singen: die Augen und Beine eines Hirsches, der Gang eines Wolfes, die Nüstern eines Elentieres und die Brüste eines Weibes!« sagte Fürst Boguslaw. »Er hört außerdem auf deutsche Kommandorufe?«
    »Sein Bereiter war ein Kurländer.«
    »Und läuft er schnell?«
    »Euer Durchlaucht können auf ihm den Wind einholen. In der Front geht er so, daß selbst beim Galopp Sie die Zügel frei lassen können, und er wird nicht einen halben Kopf aus der Linie treten. Wenn Euer Durchlaucht es probieren wollen, und er während zweier Meilen sich nur um einen halben Kopf herausrückt, so gebe ich ihn umsonst fort.«
    »Das ist wunderbar! Nun, und wenn die Linie kehrt macht?«
    »So macht er, ohne daß man die Zügel ergreift, es mit.«
    »Das ist nicht möglich!« sagte der Fürst. »Das ist kein Pferd imstande zu tun. – Ich habe in Frankreich die Pferde der königlichen Musketiere gesehen, Pferde, die für die Hofzeremonien abgerichtet waren; aber selbst diesen durfte man die Zügel nicht freigeben.«
    »Dieser Gaul besitzt den Verstand eines Menschen. Belieben Euer Durchlaucht nicht, sich davon zu überzeugen?«
    »Sei es,« sagte der Fürst nach kurzer Überlegung.
    Kmicic hielt selbst den Gaul; der Fürst schwang sich leicht in den Sattel und klopfte das Tier auf seinen glänzenden Rücken.
    »Zuerst wollen wir Seite an Seite reiten. Wenn es Euer Durchlaucht recht ist, schlagen wir die Richtung zum Walde ein. Der Weg dahin ist eben und breit.«
    »Nun wohl.«
    »Wenn wir ein Weilchen nebeneinander geritten sind, lassen Euer Durchlaucht die Zügel los, und dann geht's trab weiter, je zwei von meinen Leuten werden Ihnen zur Seite bleiben. Ich reite in einem gewissen Abstande hinter Ihnen her.« –
    Auf Kommando des Fürsten raste die Reihe wie ein Wirbelwind dahin. Eine dichte Staubwolke entzog den Fürsten den Augen seines Gefolges, das neugierig dem Rennen am Tore zusah. Schon hatten die Reiter zwei Kilometer zurückgelegt, ohne daß des Fürsten Pferd auch nur einen Zoll aus der Reihe hervorgetreten wäre, als Kmicic sich umwandte.
    Nachdem er sich überzeugt, daß hinter ihnen Staubwolken lagen, die den Hof des Starosten ganz verhüllten, brüllte er mit fürchterlicher Stimme:
    »Faßt ihn!«
    In demselben Augenblicke packten Bilous und der Hüne Zawratynski den Fürsten mit solcher Gewalt an beiden Armen fest, daß die Knochen knackten. Gleichzeitig gaben sie ihren eigenen Pferden die Sporen.
    Das Pferd des Fürsten paßte sich genau den anderen an und blieb nicht einen Schritt zurück. Erstaunen, Schreck und der Wind, der dem Fürsten Boguslaw ins Gesicht peitschte, schnürten ihm fürs erste die Gurgel fest zu. Er versuchte einige Male sich loszureißen, aber ohne Erfolg. Seine Arme waren wie in eisernen Schraubstöcken festgehalten.
    »Was soll das, Nichtsnutzige! – Wißt ihr nicht, wer ich bin?« schrie er endlich.
    In diesem Augenblicke schlug ihn Kmicic leicht mit dem Pistolenlauf auf den Rücken.
    »Wenn Sie sich widersetzen, schieße ich Ihnen eine Kugel durch den Kopf!«
    »Verräter!« sagte Fürst Boguslaw.
    »Und was bist du?« antwortete Kmicic.
    Und wortlos sprengten sie weiter dahin.

12. Kapitel.
    Lange rasten unsere Reiter weiter durch den Wald. Die Kiefern, die am Wege standen, schienen erschreckt vor ihnen zurückzufliehen. Schenken, Hütten von Teersiedern, Wagen, die nach Pilwiszki fuhren, alles ließen sie hinter sich zurück.
    Endlich hörte das tolle Jagen auf. Menschen und Tiere mußten zu Atem kommen, und Pilwiszki war so weit hinter ihnen geblieben, daß eine Verfolgung von dort ausgeschlossen war.
    Der Fürst, der sich bemühte, zu sich zu kommen und sich zu beruhigen, schwieg lange Zeit. Endlich fragte er:
    »Und wohin führen Sie mich?«
    »Das werden Sie am Ziele unserer Reise erfahren,« sagte Kmicic trocken.
    Einen Moment verstummte Boguslaw, dann begann er von neuem:
    »Befehlen Sie Ihren Knechten,

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