Sintflut
–
16. Kapitel.
Schließlich ließ sich auch der gefürchtete Anführer der Schweden, Wittemberg, vernehmen. Ein hoher Offizier überbrachte dem Kloster einen grimmigen Brief von ihm mit dem Befehle, dem General Müller unverzüglich die Festung zu übergeben.
Die Mönche beschlossen, ihrer Taktik, die Angelegenheit durch Verhandlungen zu verschleppen, treu zu bleiben. Und wieder strichen Tage dahin, in denen die Friedensverhandlungen oft durch das Getöse der Geschütze unterbrochen wurden.
Müller versuchte immer wieder, den Mönchen zu erklären, daß er seine Soldaten ausschließlich deshalb im Kloster unterbringen wolle, um die Klosterbewohner vor räuberischen Überfällen zu schützen. Die Patres jedoch entgegneten ihm, daß, wenn die Garnison stark genug sei, um einem so berühmten Feldherrn Widerstand zu leisten, sie desto eher einer Räuberbande standhalten könnten.
Des Generals Geduld war nun erschöpft. Ihm, der zuerst nicht begreifen konnte, warum diese schwache Festung Widerstand leistete, während das ganze Land ringsum sich kampflos unterworfen hatte, ihm, der sich vergeblich gefragt hatte, auf welche Kraft, auf welche Hoffnungen sich diese schwachen Mönche stützten, war von der Zeit eine immer klarere Antwort geworden. Trotz seines beschränkten Geistes begriff der General schließlich, was der Prior Kordecki erstrebte. Oberst Sadowski definierte ihm das ganz klar: Hier handelt es sich nicht um dieses Felsennest, um Jasno-Gora, nicht um die Klosterschätze, sondern um das Geschick der ganzen Republik. Dieser friedliche Mönch hat ganz bestimmte Vorstellungen von seiner Mission; er steht auf wie ein Prophet, um durch seinen Sieg oder auch durch seinen Tod und seine Selbstaufopferung die Schlafenden in der Republik aufzuwecken.
Der alte Soldat erschrak bei dieser Erkenntnis sowohl vor seinem Feind selbst als auch vor dessen Mission. Dieser Hühnerstall wuchs plötzlich in seinen Augen ins Unendliche und nahm die Dimensionen eines Berges an, der von Titanen bewacht wird. Er selbst kam sich wie ein Zwerg und seine Armee wie ein Haufen nichtiger Würmer vor. Und Müller verzagte, und Zweifel begannen allmählich sein Herz zu erfüllen. Der Gedanke, daß im Kriege das Glück schnell wechselt, war ihm ein Trost. Was kann nicht alles während solcher Zeiten geschehen! Wunder gibt es nicht, und schließlich muß sich diese Festung doch ergeben. – Die Kanonen, die ihm Wittemberg jetzt nachsandte, hatten schon bei Krakau ihre ungeheure Vernichtungskraft bewiesen. – Das wäre ja Hexerei, wenn solche Mauern unseren sechs weittragenden Kanonen widerstehen könnten! Wenn erst dieses Nest des Aberglaubens und der Zauberei in Staub zerfallen ist, so wird sich auch das Land wieder beruhigen. –
Und aus dieser Zuversicht heraus und in der Erwartung der großen Kanonen gab der General den Befehl, wieder das Feuer zu beginnen. Die Belagerung und die Feindseligkeiten nahmen nun wieder ihren Fortgang. Aber vergebens fielen die glühenden Kugeln auf die Dächer der Klostergebäude, vergebens machten die gewiegtesten Kanoniere übermenschliche Anstrengungen; sobald der Wind die Rauchsäulen zerstreute, zeigte sich das Kloster in all seiner Majestät, unversehrt, mit seinen gen Himmel ragenden Türmen. Und es gab noch eine ganze Reihe bloßer Zufälligkeiten, die unter den Belagerern eine große Panik hervorriefen. Bald flogen Geschosse über den Berg herüber und töteten jenseits stehende Schweden, bald fiel ein Kanonier, der das Geschütz richtete, vom Schlage getroffen zu Boden, bald entzündete sich das Pulver in den Kisten aus unbekannten Gründen, und der Rauch und Pulverdampf, der über dem ganzen lagerte, nahm unheimliche, Unheil verkündende Formen an. Soldaten, die sich zu zweien oder dreien weiter vorwagten, kamen, ohne daß man erkannte wie, um.
Der Verdacht der Urheberschaft aller dieser Vorgänge richtete sich auf die polnischen Hilfsregimenter, die, außer Kuklinowskis Regiment, sich weigerten, an der Belagerung teilzunehmen und mit jedem Tage eine immer bedrohlichere Haltung annahmen.
Müller drohte dem Oberst Zbrozek, ihn und seine Leute vor das Kriegsgericht zu stellen, der aber antwortete in Gegenwart aller Offiziere: »Versuchen Sie das, General!« Die Soldaten der polnischen Regimenter, die nichts zu tun hatten, benutzten ihre Zeit, um mit den schwedischen Offizieren Streitigkeiten anzufangen, die oft Zweikämpfe zur Folge hatten, denen die in der Fechtkunst wenig geübten Schweden
Weitere Kostenlose Bücher