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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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meist zum Opfer fielen. Schließlich verbot der General jegliche Zweikämpfe und verwehrte den Polen den Zutritt zu dem schwedischen Lager. Beide Verbündeten standen sich jetzt wie Feinde gegenüber, bereit, jeden Augenblick aufeinander loszustürzen.
    Und das Kloster verteidigte sich immer energischer. Es erwies sich, daß die vom Krakauer Wojewoden übersandten Geschütze den Müllerschen in nichts nachstanden, und die Kanoniere erreichten durch die lange Übung eine fast unglaubliche Vollkommenheit. Die schwedischen Soldaten schrieben all dies der Hexerei zugute und erklärten einfach ihren Vorgesetzten, daß sie der Macht, die das Kloster beschütze, nicht gewachsen seien.
    So vergingen wiederum zwei Tage. Unaufhörlich dröhnten die Geschütze, beide Parteien hörten nicht auf zu feuern. Am Abend des zweiten Tages senkte sich eine so finstere Nacht auf die Gegend, daß man trotz der Scheiterhaufen und brennenden Pechfässer die Belagerer nicht sehen konnte.
    Im schwedischen Lager herrschte ein ungewöhnliches Treiben. Man vernahm das Knarren schwerer Räder, das Gewieher zahlreicher Pferde und ein auffallend lautes Gewirr menschlicher Stimmen. Die Soldaten auf den Mauern errieten, was im feindlichen Lager vorging.
    »Natürlich sind die Kanonen eingetroffen, anders kann es nicht sein!«
    Man beriet, ob man nicht einen Ausfall wagen solle; aber der Sieradzker Miecznik war der ganz richtigen Meinung, daß der Feind aller Wahrscheinlichkeit nach die größten Vorsichtsmaßregeln ergriffen habe, und ein Ausfall keinen Erfolg haben könne. So blieb den Belagerten nichts übrig, als nach der Richtung, aus der der Lärm kam, zu feuern.
    Endlich brach der Tag an, und seine ersten Strahlen beleuchteten die schwedische Arbeit. Von Norden nach Süden erhoben sich Schanzen, zwischen denen die weiten Rachen gigantischer Kanonen und eine unzählige Menge von Soldaten, die einem Schwarme gelber Wespen glichen, zu sehen waren.
    Der Frühgottesdienst war noch nicht beendet, als eine fürchterliche Salve die Luft erschütterte; die Fensterscheiben fielen aus ihren Rahmen und zersprangen klirrend auf den steinernen Fußböden. Die ganze Kirche war mit dem Staub des herabfallenden Putzes erfüllt.
    Die schweren Geschütze hatten ihre Tätigkeit eröffnet.
    Jetzt begann ein so ungeheures Bombardement, wie die Belagerten es noch nicht erlebt hatten; denn die kleineren schwedischen Geschütze unterstützten die großen weidlich. Von allen Seiten kamen Kugeln, Granaten, Bündel mit Teer getränkten Flachses und zwanzig Pfund schwere Geschosse herangeflogen, die gewaltige Löcher in die Mauern schlugen. Die ganzen Klostermauern drohten einzustürzen.
    Aber die Herzen der Verteidiger waren nach wie vor frei von Furcht. Alle, die im Kloster waren, gingen auf die Wälle, sogar die Frauen, Kinder und Greise. Die Soldaten standen inmitten des Feuers, Rauches und Kugelhagels fest und tapfer und antworteten unentwegt auf das Feuer des Feindes. Mit aufgelösten Haaren und glühenden Gesichtern eilten die Frauen umher und gaben ein glänzendes Beispiel des Mutes. Manche überschütteten die zum Platzen bereiten Granaten mit Wasser. Die Begeisterung wuchs von Minute zu Minute, als wenn dieser Geruch von Pulver und Rauch, als wenn dieses Meer von Flammen und glühendem Eisen die Kraft hatte, den Enthusiasmus noch mehr zu entfachen.
    Gegen Mittag wurde das Feuer im feindlichen Lager eingestellt. Alle atmeten erleichtert auf. Vor dem Haupttore erschollen Trompetenstöße und Trommelwirbel. Der Trommler fragte im Namen Müllers, ob die Mönche nicht unverzüglich zu kapitulieren gedächten. Pater Kordecki sagte, er wolle sich das bis morgen überlegen.
    Kaum gelangte diese Antwort zu Müller, als das Bombardement mit noch wilderer Energie wieder einsetzte.
    Der nächste Tag war ein Sonntag.
    Lutherische Geistliche hielten im Freien bei den Schanzen den Gottesdienst ab, und die Kanonen schwiegen. Müller ließ die Mönche abermals fragen, ob sie jetzt nicht genug hätten. Sie aber antworteten, sie könnten noch mehr aushalten.
    Die Sonntagsruhe benutzte man im Kloster, um die Schäden zu besichtigen, die das Bombardement angerichtet hatte. Es stellte sich heraus, daß außer einigen erschossenen Soldaten auch die Mauer stark beschädigt worden war. Den größten Schaden hatte die Riesenkanone, die auf der Südseite aufgestellt war, angerichtet. Sie hatte die Mauer so zerlöchert, daß sie zweifelsohne in einigen Tagen stürzen mußte.
    Pater Kordecki

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