Sintflut
standen weit geöffnet. Die Glocken läuteten unentwegt und sandten ihren Siegesgesang weit, weit hinaus, und verbreiteten die frohe Kunde in der ganzen Republik. Und der Schnee fiel leise und dicht und verschüttete jegliche Spuren des schwedischen Lagers.
* * *
An diesem Tage las der Pater Kordecki selbst die Messe.
Nicht mehr erzitterten die Mauern unter dem Kanonendonner des Feindes; kein von den Wänden abbröckelnder Staub überschüttete heute die Andächtigen; nichts unterbrach das Gebet und jenen Dankgesang, den der heilige Prior inmitten des allgemeinen Weinens der Freude anstimmte:
»Te Deum laudamus!«
Ende des dritten Buches.
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Zweiter Band.
Viertes Buch.
1. Kapitel.
Die Pferde trugen Kmicic und die Kiemlicz' schnell längs der schlesischen Grenze.
Pan Andreas schlummerte im Sattel und erwachte erst gegen Tagesanbruch. Mit verwunderten Augen sah er sich um; im ersten Augenblick erschien es ihm, als habe er alle die Begebenheiten der vergangenen Nacht nur geträumt.
»Kiemlicz, bist du es? Kommen wir aus Czenstochau?«
»Jawohl, Pan Oberst, aus Czenstochau!«
»Und wo sind wir jetzt?«
»In Schlesien. Jetzt werden uns die Schweden nicht mehr einholen!«
»Das ist gut!« Kmicic kam ganz zu sich. »Und wo hält sich unser gnädiger König auf?«
»In Glogau.«
»So reiten wir zu ihm. Zu Füßen des Königs wollen wir fallen und ihm unser Leben zur Verfügung stellen. Hörst du, Alter?«
»Zu Befehl, Pan Oberst.«
Kmicic verfiel in Gedanken. Augenscheinlich dachte er über etwas nach. Schließlich sagte er:
»Höre, am Hof und vor dem Könige sagt ihr mit keinem Worte, wer ich bin! – Ich heiße Babinicz, und wir kommen aus Czenstochau. Von der Kanone und Kuklinowski könnt ihr erzählen, aber ja niemandem meinen Namen verraten. – Vielleicht wird man sonst meine Absichten mißdeuten und mich für einen Verräter halten, weil ich einstmals in der Verblendung dem Wilnaer Wojewoden gedient habe. Bei Hofe wird man wohl davon unterrichtet sein.«
»Pan Oberst, nach dem, was Sie alles bei Czenstochau getan haben –«
»Und wer wird die Beweise dazu liefern, solange das Kloster belagert wird?«
»Gut, alles soll geschehen, wie Sie befehlen.«
Und die Reiter schlugen die Richtung nach Glogau ein.
Überall, wo sie unterwegs mit Menschen zusammenkamen, wurden sie nach Czenstochau gefragt. Ob das Kloster sich noch halte? Und ob es die Belagerung aushalten werde? Und Pan Andreas erwiderte allen, daß Czenstochau unbedingt standhalten werde. Die Gasthäuser, die unsere Reiter an der Landstraße berührten, waren alle überfüllt. Die einen waren auf der Flucht begriffen aus den Gebieten, denen schwedische Besetzung bevorstand, andere wieder, und es waren ihrer nicht wenige, die genug von der schwedischen Herrschaft gekostet hatten, eilten, um sich dem geflohenen Könige wieder zur Verfügung zu stellen. Die Nachrichten, die aus Polen kamen, belebten die Hoffnung dieser Flüchtlinge, und viele bereiteten sich schon zu einer Waffenerhebung vor. Boten mit Briefen flogen zum und vom König. Die Hetmans, die Truppen, die Schlachta, alle waren bereit, zu den Waffen zu greifen. Kurz, man befand sich am Vorabend des allgemeinen Aufruhrs, der an manchen Orten schon aufzuflammen begann.
Die Schweden verloren mehr und mehr den Kopf; stutzig geworden, fragten sie sich: »Ist denn das dasselbe Volk, das gestern erst seinen König verlassen und sich ohne jeden Widerstand unterworfen hat?«
Sie zogen nicht in Betracht, daß dieses Volk sich ein Gefühl bewahrt hatte, dessen irdische Bezeichnung »Czenstochau« war. Und in diesem Gefühl allein lag seine Auferstehung.
Der Kanonendonner an den Mauern des Heiligtums hallte in den Herzen aller wieder: in denen der Magnaten, Schlachtschitzen, Kleinbürger und Bauern. Ein Schrei der Empörung erfüllte die Luft von den Karpathen bis zum Baltischen Meere, und der Koloß erwachte aus seiner Erstarrung.
»Das ist ein anderes Volk!« sprachen die erstaunten Schweden.
Das Manifest Jan-Kasimirs, das vordem keinen Eindruck beim Volke gemacht hatte, ging jetzt von Hand zu Hand. Überall versammelte sich die Schlachta, und man las die rührenden Worte des königlichen Flüchtlings, der niemandem Vorwürfe machte und riet, die Hoffnung nicht zu verlieren und der gedemütigten Republik zu Hilfe zu eilen.
Selbst im schwedischen Lager, in den Festungen, in den von Schweden besetzten Schlössern, kurz, überall, wo sich polnische Banner befanden, wurde das
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