Sintflut
Verteidiger aufzugeben und vor dem Eintreten eines grimmigen Frostes abzuziehen.
Dem Kriegsrate wohnten nur die schwedischen Offiziere bei, die Polen glänzten alle durch ihre Abwesenheit. Müller hörte finster zu, wie Sadowski und der Graf Weyhard in Streitigkeiten gerieten. Wrzezsczowicz schlug unter anderem einen neuen Plan vor. Man sollte unter den Truppen, besonders unter den polnischen, das Gerücht verbreiten, daß die Bergarbeiter einen alten unterirdischen Gang entdeckt hätten, der bis zu dem Kloster und der Kirche führe.
»Und wenn dieses Gerücht sich verbreitet, so werden die Polen selbst um die Übergabe dieses Hortes des Aberglaubens flehen.«
»Versuchen wir das! Versuchen wir das!« sagte Müller erfreut, denn ihm gefiel der Plan sehr gut. »Ob jedoch Zbrozek oder Kuklinowski bereit sein werden, als Abgesandte nach dem Kloster zu gehen, und ob man dort der Geschichte von dem Gang Glauben schenken wird, daran zweifle ich!« –
»Kuklinowski wird den Auftrag auf alle Fälle annehmen,« antwortete Wrezeszczowicz, »aber besser wäre es freilich, wenn er auch selbst an die Wahrheit seiner Worte glaubte.«
Plötzlich öffnete sich die Tür geräuschvoll, und Zbrozek stürzte völlig außer Atem in das Zimmer. Sein Gesicht war bleich und vor Schreck verzerrt.
»Kuklinowski – tot!« rief er noch auf der Schwelle stehend aus.
»Wie? Was? So reden Sie doch! Was ist geschehen?« fragte Müller in großer Besorgnis.
»Lassen Sie mich erst zu Atem kommen,« antwortete Zbrozek. »Das, was ich gesehen habe, übertrifft jede Möglichkeit. Kuklinowski tot, drei Gemeine ermordet und von Kmicic keine Spur! – Ich wußte, daß er ein fürchterlicher Mensch ist; aber um sich seiner Fesseln zu entledigen, drei Soldaten niederzumetzeln und Kuklinowski zu Tode zu quälen, dazu bedarf es der Kräfte eines Teufels, nicht der eines Menschen.«
Müller ließ seinen Kopf auf die Hände sinken und sagte kein Wort. Als er jedoch seinen Blick wieder hob, brannte in seinen Augen Zorn und Mißtrauen.
»Pan Zbrozek!« rief er, »mag er der Satan selbst sein, aber ohne Hilfe, ohne Verrat konnte er das nicht ausführen! Kmicic hatte hier viele Bewunderer. Kuklinowski dagegen – Feinde, – und Sie gehörten zu ihnen!«
Zbrozek wurde bei dieser Beschuldigung bleich; er stand von seinem Platze auf und trat auf Müller zu.
»Sie haben mich also im Verdacht?« fragte er.
Für einen Augenblick trat ein unheilvolles Schweigen ein. Alle Anwesenden zweifelten keinen Moment, daß, wenn Müller bejahend antwortete, sich etwas Schreckliches, Unerhörtes ereignen werde. Alle faßten unwillkürlich an den Griff ihrer Säbel, Sadowski hatte den seinigen bis zur Hälfte aus der Scheide gezogen. Auf dem Hofe hatten sich schon viele polnische Reiter, die wahrscheinlich mit derselben Nachricht über Kuklinowski gekommen waren, versammelt. Es gab keinen Zweifel, sie alle würden nicht zaudern, Zbrozek beizuspringen. Müller begriff das. Und trotzdem es in ihm kochte und gärte, unterdrückte er seinen Zorn und tat so, als wenn er das herausfordernde Benehmen Zbrozeks nicht bemerkt habe.
»Erzählen Sie uns doch ausführlich, wie das alles zugegangen!«
Zbrozek wollte gerade beginnen, als ein Haufen polnischer Offiziere hereinstürzte.
»Kuklinowski ist ermordet! Seine Soldaten haben vollständig den Kopf verloren und fliehen!« riefen alle wirr durcheinander.
»Erlauben Sie, meine Herren,« sagte Müller, »daß Pan Zbrozek uns die Sache einmal klar erzählt. Er ist der erste gewesen, der die Nachricht gebracht hat.«
Alle verstummten, und Zbrozek begann:
»Es ist allen wohl bekannt, meine Herren, daß ich auf dem letzten Kriegsrat Kuklinowski zum Zweikampfe forderte. Ich hatte fest beschlossen, diesen Zweikampf zum Austrag zu bringen und begab mich deshalb heute früh in Kuklinowskis Quartier. Man sagte mir, er sei nicht da. Ich schickte hierher, – auch hier dieselbe Antwort. Im Quartier hatte er auch nicht übernachtet, worüber man sich durchaus nicht gewundert hatte, man glaubte, er wäre hier bei Euer Exzellenz. Da trat ein Soldat zu mir und erzählte, daß der Oberst mit Kmicic in eine nicht weit entfernte Scheune gegangen sei. Ich gehe dort hin und finde die Tür der Scheune offen. Und als ich hineintrete, sehe ich einen nackten, menschlichen Körper an einem Balken hängen. Zuerst denke ich, das ist Kmicic, allein, als ich näher trete, erkenne ich Kuklinowski.«
»An einem Balken hing er?« fragte Müller.
»Ja, so
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