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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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hineinritten.
    »Jetzt sind wir dicht an der Grenze«, sagte der König bewegt.
    Bald trafen die Reiter einen mit einem Pferde bespannten kleinen Wagen.
    »He, Mann!« rief Tyzenhauz den im Wägelchen sitzenden Bauern an, »sind wir in Polen?«
    »Hinter dem Felsen dort beginnt die Grenze, und Ihr seid jetzt schon auf polnischem Boden.«
    Der Bauer fuhr weiter. Tyzenhauz eilte zum König.
    »Majestät!« rief er begeistert, »Sie sind jetzt in Ihrem Reiche!«
    Der König antwortete mit keinem Worte; er stieg vom Pferde und fiel in die Knie. Sein Gefolge folgte seinem Beispiele. Und dann begann der flüchtige König die mit Schnee bedeckte Erde zu küssen, die geliebte, undankbare Erde, die im Ungemach ihrem gekrönten Haupte keine Zuflucht gewährt hatte.
    Es begann schon zu dunkeln, als die königliche Truppe sich in Bewegung setzte. Als sie die Schlucht durchritten hatten, öffnete sich vor ihnen ein großes Tal, das sich weithin erstreckte. Fern am Horizonte schimmerte ein rötliches Licht.
    »Reiten wir der Abendröte entgegen«, sagte der König. Kmicic sah aufmerksam in die Ferne und rief:
    »Majestät, das ist nicht das Abendrot, sondern der Schein eines Brandes!«
    Und wirklich loderte die vermeintliche Abendröte mehr und mehr auf und verbreitete sich weit am Horizonte.
    »Das wird Zywiec sein, was dort brennt!« rief Jan-Kasimir. »Dort steht gewiß der Feind.«
    Kaum hatte der König diese Worte ausgesprochen, als man das Schnauben von Pferden und Menschenstimmen vernahm. Mehrere dunkle Gestalten ritten vorüber.
    »Halt! halt!« schrie Tyzenhauz. »Wer seid Ihr?«
    »Wir sind Polen!« hörte man schon aus der Ferne. »Wir fliehen aus Zywiec. Dort plündern und morden die Schweden!«
    »Halt, in Gottes Namen! Was sagt Ihr da? – Warum kamen die Schweden dorthin?«
    »Sie wollen unserem Könige auflauern. Es sind viele, sehr viele. Behüte die Mutter Gottes unseren König!«
    Tyzenhauz geriet ganz außer Fassung.
    »Das heißt mit einer kleinen Begleitung reiten!« rief er Kmicic zu. »Mag der Teufel dich holen für deinen Rat!« –
    Aber Jan-Kasimir begann die Fliehenden weiter auszufragen. »Und wo ist der König?«
    »Der König ist mit einer großen Truppe im Gebirge und passierte vor zwei Tagen Zywiec. Man erzählt, sie hatten den König schon gefangen. – Heute gegen Abend sind sie nach Zywiec zurückgekehrt, und jetzt metzeln sie alles nieder, was ihnen in den Weg kommt.«
    »So geht mit Gott!« erwiderte Jan-Kasimir.
    »Wie wäre es uns ergangen, wenn wir wirklich bei den Dragonern gewesen wären,« bemerkte Kmicic.
    »Majestät«, fragte der Bischof Gembicki, »der Feind ist vor uns, was tun wir?«
    Alle umringten den König, als wenn sie ihn mit ihren Leibern vor einer Gefahr schützen wollten. Der König betrachtete schweigend die Röte am Himmel. Auch die anderen schwiegen alle; es war schwer, in dieser Minute einen guten Rat zu finden.
    »Als ich das Vaterland verließ, leuchtete mir die Fackel des Krieges, und jetzt bei der Rückkehr flammt der Horizont von einer verheerenden Feuersbrunst«, sagte Jan-Kasimir dumpf.
    »Wer kann uns jetzt irgend einen Rat geben?« unterbrach Pater Gembicki das Schweigen.
    Da vernahm man Tyzenhauz' Stimme bitter und spottend:
    »Wer darauf bestand, daß der König ohne genügenden Schutz fährt, der soll jetzt einen Rat geben.«
    In diesem Augenblicke ritt ein Reiter aus dem Kreise heraus. Es war Kmicic.
    »Gut!« sagte er. »Kiemlicz', folgt mir!«
    Vier Reiter sprengten wie der Wind vorwärts.
    »Das ist Verrat!« entrang es sich schmerzlich aus Tyzenhauz' Brust. »Die Verräter wollen den Aufenthalt Euer Majestät dem Feinde melden! Majestät, retten Sie sich, solange es noch Zeit ist, bald wird der Feind die Schlucht besetzen. Retten Sie sich, Majestät! Zurück! zurück!«
    »Zurück!« riefen einstimmig die Bischöfe und Senatoren. Aber Jan-Kasimir zog ungeduldig am Zügel, nahm seinen Degen heraus und sagte:
    »Behüte mich Gott! Ich werde nicht zum zweiten Male aus meinem Reiche fliehen! Möge sich erfüllen, was das Schicksal mir bestimmt hat!«
    »Majestät, hören Sie auf das Flehen Ihrer Untertanen!« sprach mit gefalteten Händen der Sandomierer Kastellan. »Wenn Sie auf keinen Fall gesonnen sind, umzukehren, so kehren Sie wenigstens durch die Schlucht zurück, damit man uns den Rückzug nicht abschneidet.«
    »Gut,« willigte der König ein, »einen vernünftigen Rat weise ich nicht zurück; aber aufs neue ein Wanderleben zu beginnen, des

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