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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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um sich. Es schien, als wäre er sich dessen nicht bewußt, was um ihn her vorging, seine Energie war völlig gebrochen.
    So verging eine halbe Stunde, eine Stunde. Hinter den Fenstern erschollen Hufschläge und die regelmäßigen Schritte der Posten, und Kmicic saß noch immer wie versteinert. Plötzlich öffnete sich die Tür, und ein Offizier trat ins Zimmer, ein alter Bekannter Pan Andreas'! Acht Soldaten begleiteten den Offizier.
    »Pan Oberst, – stehen Sie auf,« sagte er weich.
    Kmicic sah ihn verwirrt an.
    »Ah, Sie sind es, Glowbicz?«
    »Man hat mir befohlen, Ihnen die Hände zu binden, und Sie aus dem Weichbild der Stadt herauszuführen. Ich versichere Sie, daß es nicht lange dauern wird, dann werden Sie frei sein. – Bitte, leisten Sie mir keinen Widerstand.«
    Kmicic ließ sich ohne zu murren fesseln. Der Offizier führte ihn zur Stadt hinaus. Endlich kamen sie auf das freie Feld, wo Pan Andreas eine Abteilung von Boguslaws polnischen Reitern sah.
    Die Soldaten umringten einen leeren Raum, in dessen Mitte zwei Infanteristen zwei Wagenpferde hielten. Mehrere Soldaten standen mit brennenden Fackeln in den Händen dabei.
    Pan Andreas' Blick fiel auf einen eben frisch geschnittenen Pfahl, der auf der Erde lag. Der Ritter erschauerte unwillkürlich.
    »Das ist für mich,« dachte er, »mit den Pferden wird man mich auf den Pfahl pfählen. Boguslaw opfert Sakowicz.«
    Er irrte: die Pferde waren für Soroka bestimmt. Bei dem flackernden Lichtschein der Fackeln erblickte Pan Andreas bald Soroka. Der alte Soldat saß auf einer Bank, barhäuptig, mit gebundenen Händen. Ein Mann in einem ärmellosen Halbpelz reichte gerade dem Wachtmeister eine Flasche mit Schnaps. Soroka trank; aber in demselben Moment erkannte er Kmicic und machte Front wie auf der Parade.
    Einen Augenblick sahen sich die beiden wortlos in die Augen. Wovon sollten sie in dieser Minute auch sprechen?
    Der Henker, der Soroka Schnaps gegeben hatte, schritt auf ihn zu:
    »Nun, Alter,« sagte er, »deine Stunde hat geschlagen!«
    »Könnten Sie es nicht etwas rascher machen?«
    »Hab' keine Angst!«
    Soroka hatte wirklich keine Angst; aber er forderte noch mehr Branntwein.
    »Ist keiner mehr da!«
    Da trat ein Soldat aus der Reihe und reichte dem Henker seine Feldflasche.
    »Zurück auf deinen Platz!« kommandierte Glowbicz.
    Der Mann im Halbpelz führte dennoch die Flasche an die Lippen des alten Soldaten. Soroka trank und seufzte:
    »Ja,« sagte er, »das ist für den Dienst! – Für dreißigjährigen Dienst. Eine schöne Zeit!«
    Ein anderer Henker trat an ihn heran und begann ihm die Kleider herunterzuziehen. Es entstand Stille. Die Fackeln zitterten in den Händen der Soldaten. Allen war es schauerlich zumute.
    Plötzlich erhob sich in den Reihen der Truppe ein Murren, zuerst leise, dann lauter und lauter. Man hörte deutlich:
    »Ein Soldat ist kein Henker, er wird den Feind in der Schlacht töten: aber langwierige Qualen sieht er nicht gern mit an.«
    »Ruhe!« rief Glowbicz.
    Das Murren wurde immer lauter: »Zum Teufel! Daß euch die Hölle verschlucke! Verfluchter Dienst hier!«
    Plötzlich donnerte Kmicic, als wenn man ihn selbst pfählte: »Halt!«
    Die Henker blieben unwillkürlich stehen, aller Augen wandten sich auf Kmicic.
    »Soldaten!« rief Pan Andreas, »Fürst Boguslaw ist ein Verräter: er hat dem Könige und der Republik die Treue gebrochen! Jetzt ist er umzingelt, und ihr alle mit ihm, und morgen werdet ihr alle niedergeschossen werden. Ihr dient dem Feinde des Vaterlandes! Aber dem, der den Verräter verläßt, dem verspreche ich die Vergebung des Königs. – Wählt, Tod und Schimpf oder Belohnung! Ich zahle einen Dukaten, – zwei Dukaten pro Mann Sold. Wählt! Ihr wackeren Soldaten solltet nicht dem Verräter dienen! Es lebe der König! Es lebe der Großhetman von Litauen!«
    Das Murren ging in einen ohrenbetäubenden Lärm über. Mehrere Stimmen riefen:
    »Es lebe der König! Tod dem Verräter! Halt! halt! Der Fürst ist ein Verräter. Er führt gegen den König Krieg. Halt!«
    Jemand schnitt in der Erregung den Strick durch, mit dem Kmicic' Hände gefesselt worden waren. Im Augenblicke sprang Pan Andreas auf eins der Pferde, mit denen Soroka gepfählt werden sollte und rief:
    »Folgt mir zum Hetman!«
    »Ich komme!« schrie Glowbicz. »Es lebe der König!«
    »Er lebe!« antworteten an fünfzig Stimmen, und ebenso viele Säbel erglänzten in der Luft.
    »Ein Pferd für Soroka!« kommandierte Kmicic.
    Es gab auch

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