Sintflut
Verfolgten. Und unsichtbare Hände zerstörten die Brücken, die er zu passieren hatte, und vernichteten die Vorräte, so daß der König sich wie in einer Wüste vorwärts bewegen mußte.
Schließlich erkannte auch Karl-Gustav die Gefahr, der er ausgesetzt war. Rings um ihn herum toste der Krieg wie die See um ein vom Sturm zersplittertes Schiff: In den befestigten Lagern und großen Städten vermochten sich zwar die Schweden noch zu halten; aber die Dörfer, Wälder, Felder und Flüsse waren alle schon in polnischen Händen. Vergebens ließ Karl-Gustav in den kleineren Städten und Dörfern bekannt machen, daß er einem jeden Bauern, der ihm einen bewaffneten Schlachtschitzen tot oder lebendig ausliefere, Freiheit und ewigen Grundbesitz zusichern werde, – die Bauern, gleich der Schlachta und den Städtern, flohen in die Wälder, legten den Schweden Hinterhalt, überfielen kleinere Garnisonen und vernichteten Patrouillen. Dreschflegel, Heugabeln und Sensen bedeckten sich nicht minder mit schwedischem Blut als die Säbel der Schlachtschitzen.
Karl-Gustavs Zorn wuchs mehr und mehr. Fast jeden Tag berief er seine Offiziere zu Beratungen zusammen. Der Umgebung des Königs flößte der Mangel an Lebensmitteln, die übermäßige Anstrengung und Beschwerlichkeit des Feldzuges große Besorgnis ein. Der alte Wittemberg riet nachdrücklich vom Feldzuge ab; aber Karl-Gustav hörte auf keinen Rat und rückte weiter vor, Czarnieckis Armee verfolgend. Dieser, der über wenig und schlecht organisierte Kräfte verfügte, wich zurück, jedoch wie ein Wolf, jede Minute bereit, sich umzuwenden und die Zähne zu zeigen. Er schnitt ganze schwedische Regimenter von der Hauptmacht ab, nahm Proviantzüge fort und überfiel die, die sich vom Heere losgetrennt hatten. Die Schweden wußten nie, wo er sich befand, von welcher Seite er einen Überfall machen würde, und oft begannen sie in der Dämmerung die vor ihnen liegenden Büsche zu beschießen, in der Annahme, der Feind könne sich dort versteckt halten. Karl-Gustavs Truppen waren zu Tode ermüdet; sie litten an Hunger und Kälte, und bange Furcht herrschte unter ihnen.
Endlich stießen die Schweden bei Golemb, unweit der Mündung der Wieprz in die Weichsel, mit dem polnischen Heere zusammen. Mehrere polnische Banner stürzten sich mit Wut auf den Feind. Aber bald eilte Karl-Gustav mit seiner Hauptmacht herbei, und die Schlacht war entschieden. Die wenig geschulten und disziplinlosen Regimenter Czarnieckis konnten nicht lange standhalten und mußten den Rückzug antreten.
Im schwedischen Lager herrschte unbeschreibliche Freude. Augenscheinlich folgte die Siegesgöttin wieder den schwedischen Spuren. Das Erscheinen Karl-Gustavs genügte, um den Sieg über Czarniecki, auf den die Hoffnungen Jan-Kasimirs und der Republik ruhten, voll zu machen. Selbstredend übte diese Niederlage einen entmutigenden Eindruck auf alle die aus, die, dem Aufruf der Tyszowiecer Konföderation folgend, zu den Waffen gegriffen hatten.
»Das ist der größte Sieg, den ich im Laufe dieses Jahres erfochten habe,« bemerkte Karl-Gustav zu seiner Umgebung, »er kann dem ganzen Kriege ein Ende bereiten.«
»Majestät,« erwiderte der halbkranke Wittemberg, »danken wir Gott, daß er uns die Fortsetzung des Feldzuges gesichert hat, obwohl Czarnieckis Truppen sich ebenso schnell wieder sammeln können, wie sie sich zerstreuten.«
»Ich halte Sie nicht für einen schlechteren Feldherrn als Czarniecki, aber ich denke, auch Sie würden nach dieser Niederlage nicht imstande sein, die zerstreuten Truppen in zwei Monaten wieder zu sammeln und zu ordnen.«
Wittemberg verneigte sich schweigend; der König fuhr fort:
»Ja, jetzt können wir beruhigt unseren Feldzug fortsetzen. Allein Czarniecki vermochte uns aufzuhalten. Nun gibt es keinen Czarniecki, also keine Hindernisse mehr!«
Die Generale hörten den königlichen Worten mit Begeisterung zu. Die vom Siege trunkenen Truppen defilierten singend vor Karl-Gustav. Czarniecki hing nicht mehr drohend wie das Schwert des Damokles über ihren Häuptern! Czarniecki war geschlagen, vernichtet!
Der Morgen des folgenden Tages war klar, trocken und schön. Der Frost hatte die Pfützen mit einer starken Eisdecke überzogen und die Äste der Bäume mit weißem, daunenartigem Reif verziert. Die Truppen, die an keine Gefahr dachten, marschierten vereinzelt weiter, so daß sie die Fühlung miteinander verloren. Zwei Regimenter Dragoner wurden unter der Führung des Franzosen
Weitere Kostenlose Bücher