Sintflut
Dubois von der Hauptstraße abseits auf Kundschaft ausgeschickt. Gestern noch hätte man das nicht getan; aber Czarniecki war ja geschlagen und mit ihm alle Gefahr auf lange hinaus verschwunden.
Abends langte Karl-Gustav in heiterster Stimmung in Grabowo an. Er wollte sich gerade zur Nachtruhe begeben, als Aszemberg sich durch den diensttuenden Offizier anmelden ließ.
»Was gibt es Neues, Freed?« fragte sogleich der König. »Ist Dubois zurück?«
»Dubois ist tot!« antwortete Freed.
Der König geriet in Verwirrung. Erst jetzt bemerkte er den bleichen, erschöpften Aszemberg, der mit zerzaustem Haar und in zerfetzten Kleidern dastand.
»Und die Dragoner? – Zwei Regimenter Dragoner?«
»Sind alle niedergemetzelt. Nur mich allein hat man freigegeben.«
Das ohnehin dunkle Gesicht des Königs verfärbte sich noch tiefer. Er strich mit der Hand über sein Haupthaar.
»Wer hat das getan?«
»Czarniecki!«
Das Gesicht Karl-Gustavs drückte die größte Verständnislosigkeit aus.
»Das ist unmöglich!« rief er. »Haben Sie ihn gesehen?«
»So wie ich jetzt Euer Majestät sehe. Er hieß mich, Sie zu grüßen und Ihnen zu melden, daß er fürs erste die Weichsel zu überschreiten gedenke, um dann wieder Euer Majestät zu folgen.«
»Gut,« sagte Karl-Gustav. »Czarniecki ist also nicht vernichtet, er hat seine Truppen wieder gesammelt. Um so schneller müssen wir dem polnischen Darius entgegeneilen. Das ist die Hauptsache. – Sie können gehen!«
Karl-Gustav blieb mit seinen wenig trostreichen Gedanken für eine sichere Zukunft allein. Ihm war zumute wie einem Menschen, der vom Ufer aus ins Meer steigt und allmählich den Boden unter seinen Füßen verschwinden fühlt.
2. Kapitel.
Zwei polnische Regimenter, die am meisten bei dem Treffen mit Karl-Gustav gelitten hatten, bedurften der Erholung, und Pan Czarniecki hielt es für nötig, sie nach Zamoscie zu schicken. Pan Sobiepan empfing die Offiziere sehr freundlich, und als er ihre Namen Wolodyjowski und Skrzetuski hörte, geriet er in Begeisterung und bat sie, an seiner Tafel teilzunehmen.
Die Schweden näherten sich inzwischen auch Zamoscies, und in der Festung traf man Vorbereitungen zur Verteidigung. Skrzetuski und Wolodyjowski, die beide mit der schwedischen Taktik vertraut waren, postierten sich auf den Mauern.
Besonderen Gefallen fand der Pan Obermundschenk an Zagloba, dessen Rat er des öfteren einholte. Bei der Tafel erzählte Zagloba den andächtigen Zuhörern von den Kriegen mit den Kosaken, von Radziwills Verrat und davon, wie er Sapieha protegiert habe.
Eines Morgens, als Wolodyjowski von einer nächtlichen Visitation der Umgebung zurückkehrte, brachte er mehrere schwedische Gefangene mit sich, die alle bestätigten, daß sich der König persönlich bei der Armee befinde und bald Zamozcie belagern würde.
Pan Zamoyski freute sich ungemein: es reizte ihn schon längst, die Wirkung seiner Kanonen an den Schweden auszuprobieren.
»Wenn es mir zuteil wird, dem Könige und dem Vaterlande einen Dienst zu erweisen,« sagte er auf dem einberufenen Kriegsrat, »so versichere ich euch im voraus, daß ich die Festung eher in die Luft sprengen werde, als sie dem Feinde zu übergeben. – Sie wollen Zamozcie mit Gewalt nehmen, – mögen sie es probieren! Und jetzt, Panowie, gehen wir auf die Wälle!«
Die Mauern der Festung strotzten von Soldaten. Infanterieregimenter, wie sie die ganze Republik nicht aufweisen konnte, standen schußbereit mit den Musketen in den Händen und den Blick ins Feld gerichtet da. Bei den Geschützen, die ihre langen Hälse aus Neugierde weit auszustrecken schienen, gingen Vlämen auf und ab, die man für die erfahrensten im Artilleriewesen hielt. Außerhalb der Festung waren unter dem Schutze der Kanonen mehrere Regimenter leichter Kavallerie postiert.
Pan Zamoyski ritt im Harnisch, mit einem goldenen Stabe in der Hand, die Mauern entlang und fragte jede Minute:
»Sind die Schweden noch nicht zu sehen, wie?« Und wenn er eine verneinende Antwort erhielt, so schimpfte er.
Endlich verkündete jemand: »Sie kommen!« Und Pan Zamoyski, begleitet von Zagloba, eilte auf einen Turm.
Vom Turm aus bot sich den beiden ein bezauberndes Bild. Die Schweden nahten in dichten Massen. In der Mitte jedes Infanterieviereckes marschierten Bogenschützen. Über ihnen flatterten verschiedenfarbige Fahnen, vorzüglich himmelblaue mit weißen Kreuzen oder mit goldenen Löwen. In einer Entfernung von doppelter Schußweite machten die
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