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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Arrieregarde zu bleiben, um durch seine Anwesenheit die stark gelockerte Disziplin wieder zu bessern. Aber fast hätte er dafür mit seinem Leben büßen müssen.
    Es war in dem Dorfe Rudnik. Der König machte dort an der Spitze eines Leibgarderegiments Rast. Ermüdet von einer vorangegangenen, schlaflosen Nacht, legte Karl-Gustav sich zur Ruhe. Dies benutzte ein Junge, der als Stallknecht beim Dorfpfarrer diente. Er fing sich heimlich auf der Wiese ein Fohlen ein und sprengte zu Czarniecki.
    Die polnische Avantgarde, die unter dem Befehle des Oberleutnants Szandarowski stand, war den Schweden dicht auf den Fersen, kaum eine halbe Meile entfernt. Gerade, als der Oberleutnant sich mit Roch Kowalski unterhielt, der einen Befehl von Czarniecki überbracht hatte, tauchte die Gestalt eines jungen Reiters auf, der in schnellem Trabe heransprengte. Der Junge hielt erst an, als sein Pferd bei dem Anblick einer Menge Menschen und Pferde sich erschrocken aufbäumte und auf keinen Fall mehr weiter wollte.
    »Was willst du?« fragte Szandarowski den Knaben.
    »Bei unserem Pfarrer sind Schweden, man sagt, der König sei unter ihnen.« »Sind viele dort?«
    »Gegen zweihundert Mann.«
    Szandarowskis Augen loderten auf. Dann aber kam ihm der Gedanke, daß er in einen Hinterhalt gelockt werden solle; sein Gesicht verfinsterte sich wieder, und er fragte drohend: »Wer hat dich hergeschickt?«
    »Wer sollte mich herschicken? Ich bin von selbst auf ein Fohlen gesprungen und habe mir dabei fast den Hals gebrochen. Meine Mütze habe ich auch verloren. – Gott sei Dank, daß die verteufelten Schweden mich nicht bemerkt haben!«
    Die Augen des Knaben blickten offen und ehrlich. Er hielt, sich mit der Hand an der Mähne des Pferdes haltend, mit roten, erhitzten Backen und zerzausten Haaren vor den Offizieren.
    »Und wo ist die übrige Armee?«
    »Sie hat das Dorf am Morgen passiert. Nur die Reiter sind geblieben. Einer schläft bei uns im Hause, das, sagt man, sei der König.«
    »Bengel, wenn du lügst, so werde ich dich hängen lassen, sprichst du aber die Wahrheit, so verlange von mir, was du willst,« sagte Szandarowski.
    »Lüg' ich, soll ich auf der Stelle sterben! Ich brauche nichts! Nur laßt mir einen Säbel geben!«
    »Gebt ihm einen Säbel!« rief Szandarowski, ganz von der Wahrheit überzeugt. Und gleich machte er sich mit seinem Banner in der Richtung nach Rudnik auf. Der Knabe ritt voran, indem er sein Pferd mit den Beinen antrieb und von Zeit zu Zeit den blanken Säbel mit leuchtenden Augen ansah.
    Das Dorf war schon in Sicht, als der Junge von der Fahrstraße abwich, und zur Seite ausbog.
    »Still!« rief er. »Da hinter dem Erlenwäldchen, etwas rechts, stehen die Schweden.«
    Das Banner ritt in das Wäldchen hinein und bewegte sich langsam auf einem schmalen, schmutzigen Wege vorwärts. Bald begann sich das Wäldchen zu lichten, und vor den Augen der Polen lag eine größere Ebene mit dem Hause des Pfarrers in der Mitte. Zweihundert Schweden in Harnischen, mit bootartigen Helmen auf den Köpfen, standen dort in Bereitschaft. Über ihnen wehte eine prächtige, himmelblaue Fahne mit einem goldenen Löwen.
    Kaum seine Erregung zurückhaltend, begann Szandarowski sein Banner zum Kampfe zu formieren. Roch Kowalski benutzte die Zeit und ritt an den Jungen heran.
    »Höre mal, hast du den König selbst gesehen?«
    »Habe ihn gesehen, gnädiger Herr.«
    »Wie sieht er aus, woran erkennt man ihn?«
    »Er ist ganz schwarz gekleidet.«
    »Hast du seinen Gaul gesehen?«
    »Ja, er ist schwarz mit einer Blässe.«
    Pan Roch begann zu Gott zu beten, daß er es füge, daß er sich mit Karl-Gustav im Kampfe messen könne, und daß ihm Gott dann beistehe.
    In diesem Augenblicke schnaubte Szandarowskis Pferd. Einer der Schweden schoß seine Pistole ab.
    »Allah! schlagt zu!« erscholl es im Wäldchen. Und das ganze Banner stürzte sich auf die Schweden.
    Es begann ein fürchterlicher Kampf, der bald mit der Zerstreuung der Schweden endete.
    Plötzlich vernahm man verzweifelte Stimmen:
    »Den König! Den König! Rettet den König!« Karl-Gustav stürzte beim ersten Schusse zum Hause heraus. Er sprang auf sein Pferd und war bald mitten in einer Gruppe, die sich vor den Polen verteidigte.
    »Vorwärts!« rief Karl-Gustav, und mit einer Handbewegung warf er einen polnischen Reiter vom Pferde, der schon seinen Säbel über ihn erhoben hatte. Die Schweden durchbrachen den Ring, den die Polen um sie gebildet hatten, und sprengten wie ein Rudel

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