Sintflut
selbst ausfragen.«
Die Gefangenen erzählten, was ihnen über das markgräfliche Heer bekannt war. Czarniecki versank in Gedanken. Die feindliche Armee war um mehrere hundert Mann stärker als die seine, und sie bestand zum großen Teile aus Soldaten, die schon in Gott weiß wie vielen Schlachten gekämpft hatten. Zum Glück aber hatte der Markgraf keine Ahnung, daß der Feind in der Nähe war. Er war fest überzeugt, daß die ganze polnische Armee Karl-Gustav bei Sandomier belagerte. Der Kastellan stand auf und rief:
»Witowski! Lassen Sie das Signal zum Aufsitzen geben!«
Nicht lange, und das ganze polnische Heer war wieder auf den Beinen. Hinter den Ruinen von Warka – die Stadt war sechs Jahre vorher total niedergebrannt – öffnete sich freies Feld. Die polnischen Truppen konnten sich nicht mehr den Blicken des Feindes entziehen; aber der Markgraf hielt sie für zusammengelaufene »Parteien«.
Als jedoch aus dem Walde immer mehr Regimenter herausgeritten kamen, gerieten die Schweden in Unruhe. Die polnische Infanterie stellte sich in die Mitte der Ebene, ein Regiment nach dem anderen reihte sich auf wie eine Schar roter Vögel. Über ihren Köpfen glänzten die Stiele der dicken Spieße, mit denen sich die Infanterie vor dem Anprall der Reiterei schützte. Endlich kamen auch die Regimenter der gepanzerten Reiterei und stellten sich an die beiden Flügel der Armee. Die Artillerie machte ihre Kanonen kampfbereit.
Die feindlichen Heere waren durch die Pilica getrennt. Pan Czarniecki sprengte auf das Banner Wansowicz' zu, das voran stand, und rief:
»Alter Freund! Geh' zur Brücke, laß absitzen und eröffne ein Musketenfeuer. Auf euch wird sich die ganze Macht des Feindes werfen. Vorwärts!«
Wansowicz wurde rot vor Freude und hob sich im Sattel. Das Banner stürzte mit Geschrei hinter ihm her, wie Staub, der vom Sturme getrieben wird.
Dreihundert Schritte vor der Brücke stiegen Wansowicz' Reiter ab und eilten im Laufschritt zur Brücke.
Von der anderen Seite taten die Schweden ein gleiches. Die Musketen begannen zu knattern, zuerst langsam, dann schneller und schneller, wie Tausende von Dreschflegeln auf der Tenne. Die Aufmerksamkeit beider Heere richtete sich auf die Brücke, eine schmale, hölzerne Brücke, die leicht zu verteidigen und schwer zu nehmen war. Aber der einzige Weg in das schwedische Lager führte über diese Brücke.
Nach einer Viertelstunde schickte Czarniecki Lubomirskis Dragoner Wansowicz zu Hilfe. Die Schweden eröffneten ein Geschützfeuer. Der Markgraf beobachtete den Kampf durch ein Fernrohr und rief mehrmals seinem Stabe zu:
»Der ist, wie es scheint, ganz von Sinnen! Mehrere Geschütze und zwei bis drei Regimenter können die Brücke mit Leichtigkeit gegen eine ganze Armee halten!«
Aber Wansowicz stürmte immer stärker und stärker gegen die Brücke an, und auch die Schweden mußten mehr Soldaten zur Verteidigung hinschicken. Die Brücke wurde zum Mittelpunkte des Kampfes, und nach und nach wandte sich die ganze schwedische Front ihr zu. Die Schweden überschütteten die Brücke mit einem dichten Hagel von Feuer und Blei; Wansowicz' Leute fielen zu Dutzenden. Czarnieckis Ordonnanzen aber überbrachten immer wieder den Befehl, weiter vorwärts zu dringen.
Jan Witkowski konnte sich nicht enthalten, er gab seinem Pferde die Sporen und ritt zu Czarniecki.
»Pan Kastellan!« rief er, »unser Blut fließt umsonst; die Brücke können wir nicht nehmen.«
»Ich will sie ja auch gar nicht nehmen!« entgegnete Czarniecki: »folgt mir zum Fluß!«
Die Augen des Feldherrn funkelten so, daß Witkowski ohne weiteres zurücksprengte. Unterdessen hatten die polnischen Regimenter den Fluß erreicht und blieben stehen. Die Offiziere sahen sich gegenseitig verständnislos an.
Da erschien Czarniecki vor der Front seiner Regimenter. Sein Gesicht glühte, die Augen brannten. Ein starker Wind hob die Schöße seines Filzmantels wie die Flügel eines Raubvogels. Er riß seine Mütze vom Kopf und rief so laut, wie seine Kräfte es ihm erlaubten:
»Panowie! Der Feind schützt sich vor uns durch diesen Fluß und macht sich über uns lustig! Übers Meer ist er gekommen, um unser Vaterland mit Schmach zu bedecken. Er denkt, daß wir es nicht wagen werden, dieses Flüßchen zu überschreiten und mit ihm zu kämpfen.«
Czarniecki warf seine Mütze zur Erde und wies mit dem Säbel auf das brausende Wasser. Er erhob sich im Steigbügel und rief noch lauter:
»Wem Gott, das Vaterland und sein
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