Sintflut
wenigstens einiger Tage Ruhe. Und der junge Oberst zog sich an die Grenzen der Republik zurück. Hier erwartete ihn eine frohe Botschaft, über die Pan Andreas fast den Verstand verlor. Wohl war es wahr, daß der tapfere, wenngleich unglückliche Jan-Kasimir eine dreitägige Schlacht bei Warschau verloren hatte, aber Pan Andreas hörte, daß es mit der regulären Armee durchaus nicht schlimm stand. Die Truppen hatten sich tadellos gehalten und waren unentwegt von kriegerischem Geiste beseelt. Die Niederlage, die nur durch unvorhergesehene Zufälligkeiten, wie die Auflösung der Landwehr und anderes mehr, herbeigeführt worden war, hatte die Armee keineswegs deprimiert. Die Schweden hatten in ihren Reihen große Verluste erlitten, ansteckende Krankheiten rafften viele dahin. Der Kurfürst war wankelmütig geworden und wußte nicht, was er tun sollte. Und währenddessen überfielen die Großpolen Brandenburg und wüteten dort wie eine Gottesgeißel.
»Warte nur, auch ich werde mich jetzt nützlich machen,« dachte Kmicic bei sich. Und da sich seine Leute und die Pferde wieder erholt hatten, fiel er von neuem in Preußen ein.
Und immer frohere Kunde, der Pan Andreas nicht so recht trauen wollte, kam aus Polen. Man erzählte, daß Karl-Gustav plötzlich einen eiligen Rückzug angetreten habe. Was war da geschehen? Noch niemals hatte man von einem Rückzuge des Siegers, der fast einer Flucht glich, gehört!
Da sandte ihm eines Tages Pan Wolodyjowski durch einen Schlachtschitzen einen Brief.
»Wir marschieren mit dem Pan Feldhetman von Litauen und mit dem Fürsten Michail Radziwill gemeinsam hinter Boguslaw und dem Schweden Waldeck her,« schrieb der kleine Ritter. »Schließen Sie sich uns an. Der Augenblick der Rache ist gekommen!«
Kmicic fragte den Schlachtschitzen ausführlich aus, wo sich die Truppen des Feldhetman jetzt befänden, und brach mit seinen Tataren eiligst auf. Nach zwei Tagen schon hielt er Wolodyjowski in seinen Armen.
»Graf Waldeck und Boguslaw stehen in Prostki, wo sie sich verschanzen,« sagte Wolodyjowski. »Morgen greifen wir sie an. Mein Gott, wie mager und schwarz Sie geworden sind,« fuhr er fort. »Dafür aber haben Sie Ihren Namen mit großem Ruhme bedeckt! Wir alle bewundern Sie. Nichts als Leichen und Ruinen haben Sie hinter sich zurückgelassen. Das nennt man richtig Krieg führen! Selbst Pan Zagloba, wenn er hier wäre, könnte sich nicht größerer Resultate rühmen.«
»Wo ist denn Pan Zagloba?«
»Er blieb bei Pan Sapieha. Er kann noch nicht recht zu sich kommen und weint immerzu.«
»Was ist denn los? Was ist ihm denn passiert?«
»Er beweint Roch Kowalski, den Fürst Boguslaw niedergestochen hat! Roch Kowalski starb einen rühmlichen Tod. Selbst Karl-Gustav erkannte seinen Mut an; er ließ ihn mit allen militärischen Ehren begraben. Es war in der Schlacht bei Warschau. Am ersten Tage kämpften wir erfolgreich; am zweiten begann das Glück zu schwanken. In diesem Augenblicke rückten die litauischen Husaren vor, bei denen Roch diente. Es waren im ganzen ihrer zwölfhundert Mann. Ich beobachtete ihre Attacke von einem Hügel aus. Die Husaren sausten dahin, alles, was ihnen im Wege war, niederwerfend. – Schließlich griffen sie ein schwedisches Garde-Regiment an, bei dem der König selbst stand. Man bat, man flehte Karl-Gustav an, sich zu retten, da niemand den waghalsigen Husaren standhalten konnte. Der König jedoch achtete der Ratschläge nicht und kämpfte tapfer bei seiner Garde. Endlich aber sah er sich doch genötigt, mit einem Adjutanten zu fliehen. Kowalski verfolgte die beiden. Der Adjutant, der den König decken will, wird von Kowalski durch einen Säbelhieb in zwei Hälften geteilt. Karl-Gustav wendet sich nun selbst gegen Kowalski. – Plötzlich aber stürzt der König mit seinem Roß zur Erde; er feuert zwar schnell seine Pistole auf Kowalski ab, doch der Schuß geht fehl. Die Schweden sind bei diesem Anblick wie erstarrt; denn Pan Roch hat schon sein Schwert erhoben, – der König war unrettbar verloren. – In diesem Augenblicke, wie aus dem Erdboden gewachsen, erscheint Fürst Boguslaw und schießt Kowalski direkt ins Ohr, so daß sein Schädel zersplittert.«
»Mein Gott, hatte er denn nicht genügend Zeit, sich gegen Boguslaw zu wenden?« rief Pan Andreas, sich an den Kopf fassend.
»Gott wollte das nicht«, entgegnete Michail. »Nachher begriffen Zagloba und ich, warum das alles so geschah. Roch stand seit seinen jungen Jahren bei den Radziwills in
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