Sintflut
Erdboden gleich gemacht, und die von sinnloser Angst befallene Bevölkerung kam zu Hunderten um. Die Tataren, die Kmicic bis dahin mit eiserner Hand in guter Disziplin gehalten hatte, bekamen jetzt völlige Freiheit von ihm. Wie eine Schar blutgieriger Vögel stürzten sie sich auf die schutzlosen Einwohner. Es war, als wenn sie sich für die lang auferlegte Zurückhaltung entschädigen wollten, und sie badeten in des Wortes wahrem Sinne in Strömen menschlichen Blutes.
Kmicic selbst nahm an dem entsetzlichen Morden keinen Anteil; aber er sah ohne Zittern den grausamsten Szenen zu. Sein Mitgefühl versagte völlig; sein Gewissen regte sich nicht: es war ja das Blut von Ketzern, das seine Soldaten vergossen. Und die zu vernichten, das war eine Gott wohlgefällige Sache. Der Kurfürst, der Lehnsherr und Diener der Republik, hatte ja zuerst seine gotteslästerliche Hand auf Polen gelegt, und er sollte gehörig dafür bestraft werden. Warum sollte er, Pan Andreas, nicht das Werkzeug Gottes sein? –
Daher konnte er ruhigen Herzens beim Scheine der brennenden Dörfer den Rosenkranz abbeten, und wenn das Gejammer der Sterbenden ihn dabei störte, so begann er von neuem. Aber inmitten all seiner blutigen Taten dachte er mehr und mehr an Alexandra. Je tiefer er in Preußen vordrang, je mehr Wunden er schlug, desto stärker brannte die Wunde seines Herzens.
»Täubchen, liebstes«, dachte er, »vielleicht hast du mich vergessen oder gedenkst gar mein mit Zorn und Abscheu! Ich aber, ob ich nah oder fern von dir bin, denke Tag und Nacht nur an dich. Für das Vaterland und für dich opfere ich gern mein Blut, und wehe mir, wenn du mich für immer aus deinem Herzen vertrieben hast!«
Eine fürchterliche Sehnsucht trieb ihn immer weiter vorwärts; am liebsten wollte er schon morgen in Tauroggen sein. Aber es war noch sehr weit bis dahin und äußerst schwierig vorzudringen; denn ganz Preußen hatte sich wie ein Mann erhoben. Alles griff zu den Waffen. Aus den benachbarten Städten wurden die Garnisonen zusammengezogen und neue Regimenter wurden schnell formiert. Bald konnten die Preußen jedem von Kmicic' Tataren zwanzig Mann entgegenstellen.
Kmicic überfiel diese improvisierten Regimenter so schnell wie der Blitz; er schlug sie, hängte die Gefangenen und verschwand spurlos, um erst wieder auf dem blutigen Hintergrund einer Feuersbrunst aufzutauchen. Aber es ging nicht so schnell vorwärts, wie er wollte. Oft mußte er sich nach Tatarenart wochenlang im Gebüsch oder Schilf an Seeufern versteckt halten. Erholt und mit neuen Kräften brach er alsdann wieder von neuem in dieselbe Gegend ein, die er erst dann verließ, wenn er sie meilenweit im Umkreise durch Schwert und Feuer verwüstet hatte. Und überall wurde sein Name genannt, von Flüchen begleitet hallte er wider bis zum Baltischen Meere.
Freilich konnte er in forcierten Märschen sich durch die schwache schwedische Garnison durchschlagen und auf Tauroggen zueilen. Aber war er denn dazu hierher geschickt worden?
Da, mit einem Male erhielt Pan Andreas Nachrichten, die sein Herzblut erstarren ließen und die Bevölkerung Preußens wieder aufmunterte: »Warschau,« so hieß es, »ist zurückerobert. Karl-Gustav und der Elektor haben Jan-Kasimirs Truppen eine schwere Niederlage beigebracht. – Das Ende der Republik ist nahe!«
»Sollte das wirklich das Ende sein? War die wiedergeborene, sich erhebende Republik nur ein Gespenst gewesen? War soviel Macht, soviel Kraft, soviel Mannesmut, war alles das vergeudet worden? Die Hetmans, der König, Pan Czarniecki, das zum Schutze seines verunglimpften Vaterlandes sich bewaffnende Volk, waren sie alle auseinandergestoben wie Rauch? War niemand mehr im Lande, die Republik zu schützen, außer diesen kleinen Banden ungestümer Leute?«
Kmicic raufte seine Haare und rang die Hände.
»Ich will auch umkommen!« sprach er zu sich. »Aber vorher will ich diese ganze Erde von Blut getränkt sehen!«
Er begann sich wie ein Wahnsinniger zu gebärden. Jetzt versteckte er sich nicht mehr in den Wäldern und im Schilfe wie vordem, nein, er suchte den Tod. Er stürzte sich auf dreimal stärkere Truppenabteilungen wie die seine und sprengte sie auseinander wie der Blitz. Bei seinen Tataren erstarben die Reste menschlicher Gefühle, und tierischer Blutdurst bemächtigte sich ihrer.
So verging wieder ein Monat unter Anstrengungen, die jedes Maß überstiegen. Sowohl die Menschen wie auch die widerstandfähigsten tatarischen Pferde bedurften
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