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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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retten konnte.
    Babinicz aber stürzte sich auf Poniewiez, vertrieb von dort die schwedische Garnison, die unter dem Befehle des Engländers Hamilton stand, und trieb sie nach Wilkomir zu. Daher kehrte Pan Andreas nicht nach Wolmontowicze zurück. Er interessierte sich auch gar nicht dafür zu erfahren, wen er dort vom Untergange gerettet hatte.
    Der Rückzug der von Kmicic unablässig verfolgten Schweden wurde immer beschwerlicher. Schon bedeckte sich des Morgens die Erde mit einer dünnen Reifschicht. Die Soldaten und die Pferde litten fürchterliche Hungersqualen; denn man wagte es nicht, in die Dörfer einzukehren, weil man stets einen Überfall des unerbittlichen Feindes befürchten mußte.
    Die Not der schwedischen Truppen überstieg alle Grenzen. Man nährte sich von Blättern, von Baumrinde und von dem Fleische der vor Erschöpfung verendeten Pferde.
    Nach Verlauf einer Woche begannen die Leute selbst ihren Oberst zu bitten, Babinicz eine Schlacht anzubieten. Sie zogen den Tod durch das Schwert dem Hungertode vor.
    Hamilton willigte ein und traf die nötigen Vorbereitungen. Seine Kräfte waren so winzig, daß dem Engländer keinen Augenblick der Ausgang des Gefechtes zweifelhaft war. Aber auch er war des ewigen Rückzuges überdrüssig. Er fiel von der Hand der Tataren, die über seinen langen Widerstand wütend waren.
    Jedoch auch Babinicz' Truppen waren von dem fortwährenden Nachjagen so erschöpft, daß sie diesmal den Resten des fliehenden Heeres nicht weiter nachsetzen konnten.
    Am Tage nach dem Gefechte mit Hamilton stand Kmicic sehr zeitig auf, um seine Verluste festzustellen und die Beute unter seine Soldaten zu verteilen. Bald nachdem er gefrühstückt hatte, ritt er auf einen Hügel, an dessen Fuße ein Kreuz stand. Die Befehlshaber der polnischen und tatarischen Abteilungen kamen der Reihe nach zu ihm und erstatteten ihm über die Zahl der Gefallenen Bericht.
    »Effendi,« sagte Akbah-Ulan, herankommend und sich verbeugend, »beim schwedischen Befehlshaber hat sich ein Brief gefunden, da ist er!«
    Kmicic, der ein für allemale befohlen hatte, daß alle bei Gefallenen vorgefundenen Papiere ihm abgeliefert werden sollten, nahm, dem Tataren freundlich zunickend, den mit Blut besudelten Brief ab und steckte ihn in seine Tasche. Augenblicklich hatte er keine Zeit, ihn zu lesen. Vor ihm defilierten seine Soldaten in so tadelloser Ordnung, daß selbst reguläre Truppen es nicht besser konnten. Voran ging die Tatarenabteilung, die nicht mehr ganz fünfhundert Mann zählte. Ihnen folgte ein Dragoner-Regiment, das Pan Andreas mit großer Mühe aus Freiwilligen gebildet hatte. Den Befehl über sie führte Pan Soroka, sein einstiger Wachtmeister, den er zum Hauptmann befördert hatte.
    In den zwei folgenden Bannern dienten ausschließlich Schlachtschitzen. Es waren Leute mit unruhigem Blut, die ebensogut einer Räuberbande angehören konnten, die aber, von der eisernen Hand Kmicic' gezähmt, jetzt kaum von der Kronreiterei zu unterscheiden waren.
    Alle zogen beim Defilieren am Kreuzwege die Säbel aus der Scheide und begrüßten Kmicic durch Zurufe. Pan Andreas war sehr zufrieden. – Soviele Soldaten standen unter seinem Befehle! So großen Nutzen hatte er schon mit ihnen seinem Vaterlande gebracht! Und Gott weiß, was er alles noch wagen konnte!
    Groß waren seine früheren Vergehen, aber nicht weniger groß waren seine jetzigen Verdienste. Nicht in der Mönchszelle, sondern auf dem Schlachtfelde hatte er Buße getan. Er verteidigte die heilige Jungfrau, das Vaterland, den König, das eigene Volk. Und jetzt fühlte er es in seiner Seele licht werden. Ein Gefühl des Stolzes schlich leise in sein Herz, – nicht jeder konnte das leisten, was er geleistet hatte!
    Gibt es denn so wenige berühmte Soldaten, Magnaten, Schlachtschitzen in der Republik? Warum steht an der Spitze einer solchen Macht weder Wolodyjowski noch Skrzetuski? Wer hat Czenstochau gerettet? Wer hat Boguslaw gefangen genommen? Wer hat zuerst Feuer und Schwert in das dem Kurfürsten gehörende preußische Gebiet getragen? Wer hat jetzt Smudien fast ganz vom Feinde gesäubert?
    Hier fühlte sich Pan Andreas wie ein Falke, der mit ausgebreiteten Flügeln sich höher und höher in die Lüfte schwingt.
    Die vorüberziehenden Truppen jubelten ihm zu, und er fragte sich selbst: »Werde ich noch höher steigen?« – Sein Gesicht glühte; er sah sich im Geiste als Hetman. Aber mit seinem Blute und mit übermenschlichen Anstrengungen wollte er den

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