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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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und verbeugte sich tief, sie aber bemerkte ihn nicht unter all den Menschen.
    »Sie ist wirklich eine wahre Panna und viel zu fein für einen Soldaten, Pan Michail,« sagte Zagloba. »Ich muß gestehen, sie ist wirklich eine Schönheit; aber ich für mein Teil ziehe solche vor, bei denen man nicht gleich erkennt, ob's eine Kanone oder ein Frauenzimmer ist.«
    »Wissen Sie nicht, wer dort in dem Wagen angekommen ist?« fragte Pan Michail einen nebenstehenden Edelmann.
    »Das sollte ich nicht wissen! Pan Tomasz Billewicz ist's, der Miecznik von Rosien. Den kennen alle hier. Er ist ein alter Diener und Freund Radziwills.«

13. Kapitel.
    An diesem Tage zeigte sich der Fürst den versammelten Edelleuten erst am Abend. Er dinierte mit den Gesandten und einigen hohen Würdenträgern, die an der vorhergegangenen Beratung teilgenommen hatten. Er erließ den Befehl, daß seine Regimenter sich zum Abmarsch bereit halten sollten. Das ganze Schloß war von Truppen umringt, als solle unter seinen Mauern eine Schlacht stattfinden.
    Es verbreitete sich unter der Schlachta das Gerücht, daß der Fürst Gosiewski hätte festnehmen lassen, weil er sich geweigert hätte, seine Truppen mit denen Radziwills zu vereinigen. Im ganzen aber nahmen die Vorbereitungen zum Feldzuge, die Bewegungen der Regimenter, das Auffahren der Geschütze die Aufmerksamkeit der Edelleute so in Anspruch, daß sie sich weiter keinen Grübeleien hingeben konnten.
    In den riesigen Eßsälen der Seitenflügel, in denen die Schlachta speiste, sprach man vom Kriege, vom zehntägigen Brande Wilnas und von den Nachrichten, die aus Warschau eingetroffen waren. Man war empört über den Friedensbruch der Schweden und bereit, gegen den Feind zu ziehen. Die Erfolge der Schweden, die Kapitulation von Ujscie, die Gefahr, die Masovien drohte, und der unvermeidliche Fall von Warschau, dies alles beunruhigte die Gemüter keineswegs, sondern stärkte im Gegenteil ihre Energie. Es war ja begreiflich, daß die Schweden bisher siegreich vorgedrungen waren, denn noch hatten sich ihnen keine reguläre, polnische Truppen entgegengestellt. Mit einem Fürsten Radziwill würden sie sich schwerlich messen können, und das Vertrauen zum Fürsten wurde immer größer, als seine Obersten erklärten, daß sie die Schweden im offenen Felde unbedingt besiegen würden.
    »Anders kann es gar nicht sein!« erläuterte Pan Michail Stankiewicz, ein alter, erfahrener Soldat. »Ich erinnere mich sehr gut der früheren Kriege und weiß, daß die Schweden sich immer in einem befestigten Lager verteidigten. Ins freie Feld herauszukommen hatten sie keinen Mut, und taten sie es einmal, so erlitten sie eine völlige Niederlage. Nicht durch einen Sieg, sondern durch Verrat und die Unfähigkeit der Landwehr haben sie Groß-Polen gewonnen.«
    »Das ist richtig,« stimmte Zagloba bei. »Das ist man nur ein sehr schwaches Volk, die Schweden; ihr Grund und Boden taugt nichts, die Ernten sind immer schlecht. Da nähren sie sich dann von Fichtenzapfen, die sie mahlen und dann essen. Oder sie suchen die Meeresufer ab und begnügen sich mit dem, was die Wellen ihnen zutragen. Eine fürchterliche Armut herrscht bei ihnen; deshalb ist auch kein Volk der Erde gieriger nach fremdem Eigentum als sie. Die Tataren haben doch wenigstens Roßfleisch genug, sie sehen aber fast das ganze Jahr hindurch kein Fleisch. Und wenn der Fischfang schlecht ausfällt, so krepieren sie vor Hunger. – Aber dafür sind sie vorzügliche Taucher. Wenn das Meer mit Eis bedeckt ist, so springen sie in ein Loch, das sie ins Eis geschlagen haben, und kommen aus einem anderen mit einem lebenden Hering im Munde wieder herausgekrochen.«
    »Ach, was Sie sagen!«
    »Auf der Stelle will ich tot hinschlagen, wenn ich das nicht mindestens hundertmal mit eigenen Augen gesehen habe. – Was nun ihr Heer anbetrifft, na, die Infanterie, die ist ja allenfalls passabel; aber die Kavallerie, behüte Gott! Sie haben ja auch keine Pferde in ihrem Land, so daß sie gar nicht in ihrer Jugend reiten lernen.« – – –
    Nach dem Diner ließ der Fürst die Obersten: Mirski, Stankiewicz, Ganchoff, Charlamp, Wolodyjowski und Sollohub einzeln zu sich berufen. Alle kehrten sie vom Fürsten mit irgend einer Auszeichnung oder einer Belobung zurück; der Fürst forderte von ihnen nur Vertrauen und Treue. Mit Ungeduld erwartete Radziwill die Ankunft Kmicic'. Er befahl, ihn sofort nach seinem Eintreffen zu ihm zu schicken.
    Kmicic kam erst am Abend an, als die Gäste

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