Sintflut
umweht mich eine eisige Kälte. – Das bedeutet, der Tod ist um mich. – Unerträglich ist die Qual! – Doch genug davon! Es ist schwer, unsagbar schwer; aber es muß ertragen werden. – Sprich zu niemandem von dem, was du jetzt gehört hast. – Heute will ich ein Fest geben und mit sorglosem, heiterem Gesichte den schwankenden Mut kräftigen. – Sei du auch heiter, doch erzähle niemandem etwas. – Mach' du wenigstens mir keinen Kummer. – Es könnte dir ein andermal den Kopf kosten. – Jetzt habe ich dir vergeben. – Geh und schicke mir den Oberst Mieleszka her, – Leb' wohl! Heute soll es in Kiejdane hoch hergehen!« – – –
8. Kapitel.
Der Miecznik hatte scharfe Auseinandersetzungen mit Alexandra gehabt, ehe sie einwilligte, auf dem fürstlichen Bankett zu erscheinen. Mit Tränen in den Augen hatte er das mutige, charaktervolle Mädchen anflehen müssen, mit ihm zu gehen. Erst, als er ihr versicherte, daß sein Leben auf dem Spiele stehe, daß alle, auch die friedlichen Nachbarn von Kiejdane kommen müßten, wenn sie nicht den Zorn des Hetmans auf sich heraufbeschwören wollten, erklärte sich Alexandra bereit. – Sie mochte das Leben ihres Onkels nicht aufs Spiel setzen.
In der Tat fuhr am Abend eine große Reihe von Kaleschen in Kiejdane vor. Die benachbarte Schlachta hatte sich fast vollzählig mit den Frauen und Töchtern eingefunden. Natürlich war der größere Teil der Gäste vom Militär, man sah besonders viele ausländische Offiziere, die fast alle dem Fürsten treu geblieben waren.
Radziwill hatte nichts gespart, um das Fest so glänzend wie möglich herzurichten. Er wollte, daß sich das Gerücht von seiner zuversichtlichen Stimmung und der seiner Parteigänger weit im Lande verbreiten sollte. Kaum breitete der Abend seine dunklen Schleier über Kiejdane aus, als Hunderte von Teerfässern auf dem Hofe angezündet wurden. Auf der Straße, die zum Schlosse führte, wurden Kanonen abgeschossen, und den Soldaten war es streng geboten, »Vivat!« zu schreien.
Die in Samt, Atlas und Pelzen geschmückte Menge erfüllte den sogenannten goldenen Saal. Als der Fürst, strahlend von kostbaren Edelsteinen, mit einem freundlichen Lächeln auf seinem krankhaften Gesichte erschien, riefen die Offiziere einmütig:
»Es lebe der Fürst-Hetman! Es lebe der Wilnaer Wojewod!«
Radziwill überflog mit seinen Augen die Reihen der versammelten Gäste; er wollte beobachten, ob sich den Rufen der Offiziere auch andere anschlössen. Tatsächlich riefen mehrere nicht besonders Tapfere mit: »Es lebe der Fürst!« Radziwill verbeugte sich schnell nach allen Seiten und dankte seinen Gästen für die »einmütigen« Wünsche.
»Mit euch, Panowie, wird es mir gelingen, diejenigen in Zucht zu halten, die das Vaterland zugrunde richten wollen. Vergelt's euch Gott, Panowie!« wiederholte er mehrmals, als er im Saale die Runde machte. Er blieb bei jedem Bekannten stehen und sparte nicht mit freundlichen Anreden: »Lieber Nachbar«, »Pan Bruder«. Mehr als ein düster aussehendes Gesicht verklärte sich unter den heißen Strahlen der Gnade des Magnaten.
Der Marschall meldete, daß alles bereit sei, und die Gäste betraten, wie ein Strom dem Fürsten folgend, denselben Saal, in dem vor kurzem die Union mit Schweden verkündet wurde. Der Fürst, der die Tafelordnung vorher bestimmt hatte, hatte Kmicic den Platz zwischen Alexandra und dem Miecznik zugewiesen.
Beiden erzitterte das Herz, als sie nebeneinander standen. Sie fühlten, daß das geringste Zögern die Augen sämtlicher Gäste auf sie richten würde, und nahmen deshalb ergeben ihre Plätze ein. Es war ihnen schwer und bitter zumute. Pan Andreas beschloß, gleichmütig zu bleiben, als wenn neben ihm eine ganz Fremde säße, aber er sah bald ein, daß ihm das nicht möglich war. Beide wußten, daß inmitten dieser großen Anzahl Menschen ihre Gedanken sich begegneten, und dies erschwerte es ihnen, die Ruhe zu wahren. – Alle die alten Gefühle, das Vertrauen, die Achtung waren verschwunden. Zwischen ihnen gab es nichts Gemeinsames als das Bewußtsein der erlittenen Kränkung. Es war zu wenig Zeit erst seit ihrer letzten Begegnung verflossen, als daß auch diese letzte Kette gerissen wäre, damit sie sich freier fühlen konnten.
Kmicic fühlte sich so unbehaglich in ihrer Gegenwart, daß er sich die Lippen vor innerer Erregung blutig biß, und dennoch hätte er um nichts auf der Welt auf den ihm zugewiesenen Platz verzichtet. Mit Inbrunst beobachtete er,
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