Sintflut
Szczaniecki, der wegen seines scharfen Säbels und seiner spitzen Zunge weit bekannt war, und rief laut:
»So ist es, ja! Großfürst von Litauen, König von Polen und deutscher Kaiser!«
Für einen Augenblick trat tiefe Stille im Saale ein; dann aber brachen alle in schallendes Gelächter aus. Man lachte laut und ungezwungen und verstummte jäh beim Anblick des fürstlichen Gesichtes.
Radziwill, der seinen unbändigen Zorn kaum zügeln konnte, sagte dumpf:
»Sie machen zu kühne Scherze, Pan Szczaniecki!«
Der Ritter wurde durchaus nicht verlegen.
»Auch jenes Reich ist ein Wahlreich,« erwiderte er ruhig. »Könnten wir Eurer Durchlaucht Größeres wünschen? Wenn Sie als Schlachtschitz polnischer König werden können, so können Sie als Fürst des deutschen Bundes auch zum Kaiser erwählt werden. Das eine zu erreichen, liegt ebenso nahe wie das andere.«
Obgleich sich weiter nichts ereignete, war das Bankett nach diesen Worten gestört. Radziwill konnte nur schwer seine Wut unterdrücken. Er fühlte, daß Szczaniecki ihn in den Augen der versammelten Schlachta herabgesetzt hatte, daß er ihr die Überzeugung, der Fürst könne es ebensowenig zum großfürstlichen Thron wie zur Kaiserwürde bringen, einimpfen wollte. Er bemerkte ferner, daß Szczanieckis Worte bei vielen seiner Offiziere eine eigentümliche Veränderung hervorgerufen hatten. Ganchoff leerte hastig einen Becher nach dem anderen und mied das fürstliche Auge. Kmicic sah zu Boden, als wenn er mit einem schweren Gedanken kämpfte. Radziwill erschrak. Sollte er wirklich auch diesen Offizier, das einzige Bindeglied zwischen den polnischen Regimentern und sich verlieren, so stand es um seine Sache sehr schlecht.
Aber der Fürst irrte in seiner Beobachtung. Pan Andreas war einzig und allein mit Alexandra beschäftigt und der tiefen Kluft, die ihn von ihr trennte.
Plötzlich trat ein neuer Gast in den Saal ein; der Fürst erkannte ihn sogleich und rief ihn zu sich.
»Willkommen, Pan Suchaniec! Sie kommen von meinem Vetter Boguslaw. Gewiß bringen Sie mir Briefe?«
Pan Suchaniec verbeugte sich tief.
»So ist es, Euer Durchlaucht.«
»Geben Sie her! Und nehmen Sie an der Tafel Platz.«
Der Fürst nahm aus Suchaniec' Händen ein Päckchen Briefe und begann eilig die Siegel aufzubrechen, nachdem er sich zuvor bei seinen Gästen entschuldigt hatte.
Kaum hatte Radziwill den ersten Brief gelesen, als sein Gesicht vor Triumpf und Freude erstrahlte.
»Die Sieradzker Wojewodschaft hat sich den Schweden unterworfen und das Protektorat Karl-Gustavs angenommen,« rief er laut. »Und hier die letzte Post! Lauter gute Nachrichten! Jan-Kasimir ist bei Zarnow geschlagen worden. Seine Truppen verlassen ihn. Er selbst zieht sich nach Krakau zurück; die Schweden folgen ihm auf dem Fuße! Mein Vetter schreibt, daß Krakau auch fallen wird!«
»Freuen wir uns, Panowie!« sagte mit eigentümlicher Stimme Pan Szczaniecki.
»Ja, freuen wir uns!« wiederholte der Hetman die Worte Szczanieckis, ohne dessen ironischen Ton zu bemerken.
Die ganze Gestalt des Fürsten atmete Freude; sein Gesicht war in wenigen Augenblicken um vieles jünger geworden; die Augen erstrahlten hell. Mit zitternden Händen erbrach er das Siegel des letzten Schreibens.
»Warschau ist genommen! Es lebe Karl-Gustav!« jubelte er laut auf.
Mit einem Male bemerkte der Fürst, daß alle diese Nachrichten auf die Anwesenden durchaus nicht den gleichen Eindruck machten, wie auf ihn. Alle saßen in Schweigen versunken da; einige runzelten die Brauen; andere verdeckten ihre erschrockenen Gesichter mit den Händen. Selbst die Höflinge des Hetmans wagten es nicht, die Freude des Fürsten zu teilen. Der Fürst bemerkte, daß er unvorsichtig gewesen und beeilte sich, so schnell als möglich den schlechten Eindruck wieder zu verwischen.
»Meine verehrten Gäste,« sagte er, »ich wäre der erste, der mit euch weinen würde, wenn es sich um das Unglück der Republik handelte; aber die Republik wird durch all dies nicht leiden. Sie wechselt nur ihren Herrscher. An Stelle Jan-Kasimirs, der bei keinem Unternehmen Glück hat, wird sie einen großen, vom Glücke begünstigten Herrscher erhalten. Ich sehe schon alle diese schrecklichen Kriege beendet und alle Feinde besiegt.«
»Sie haben recht, Durchlaucht,« fiel Szczaniecki ein. »Genau so haben Radziejowski und Opalinski bei Ujscie gesprochen!« – Geräuschvoll rückte er seinen Stuhl vom Tische und verließ den Saal.
»Bringet die besten Weine, die
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